Lüneburg..

Die Sabotage-Aufrufen von Castor-Gegnern haben juristische Folgen. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hat Ermittlungen aufgenommen. Gegen über 500 Personen seien Verfahren eingeleitet worden, teilte die Behörde am Freitag mit.

Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hat über 500 Ermittlungsverfahren gegen Atomkraftgegner eingeleitet, die sich zur Sabotage der Castor-Bahnstrecke zum Zwischenlager Gorleben bekannt haben. Die Verfahren wegen des Verdachts des öffentlichen Aufforderns zu Straftaten richteten sich unter anderen gegen elf Bundestagsabgeordnete und mehrere Landtagsabgeordnete der Linken, sagte Oberstaatsanwalt Roland Kazimierski am Freitag in Lüneburg. Insgesamt ermittele man gegen 339 Personen, die im Internet die Erklärung „Castor? Schottern!“ namentlich unterzeichnet hätten. Zudem habe man Verfahren gegen Verantwortliche von 169 Organisation eingeleitet, die sich ebenfalls zum „Schottern“ der Castor-Strecke bekannt hätten.

In der inkriminierten Internet-Veröffentlichung wird angekündigt, „mit Tausenden unterschiedlichen Menschen durch massenhaftes Schottern, also das Wegräumen von Schottersteinen aus dem Gleisbett, den Castor (zu) blockieren“. Ziel der Aktion sei es, „die Schiene unbrauchbar zu machen und nicht die Polizei anzugreifen“. Ähnliche Aktionen hatte es an der Bahnstrecke von Lüneburg nach Dannenberg auch bei früheren Transporten nach Gorleben gegeben.

Charakter der Ankündigung strittig

Nicht nur die eigenhändige Begehung von Straftaten, sondern auch das öffentliche Auffordern dazu sei strafbar, betonte Oberstaatsanwalt Kazimierski. Auf der Website werde zur Störung öffentlicher Betriebe und zur Sachbeschädigung aufgerufen. Genauso wie die Störung des öffentlichen Bahnverkehrs selbst, könne auch der Aufruf dazu mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.

Die Ermittlungsverfahren dienten auch der Abschreckung, sagte der Oberstaatsanwalt. Man wolle weitere Atomkraftgegner davor warnen, den Aufruf zu unterschreiben.

Der rechtlichen Einordnung der Staatsanwaltschaft widersprach die Anti-Atom-Kampagne „ausgestrahlt“. Die Unterzeichner der im Internet veröffentlichten Erklärung hätten nicht zum Schottern aufgerufen, sondern nur öffentlich erklärt, dass sie sich an der geplanten Aktion beteiligen würden. „Die öffentliche Ankündigung einer Regelverletzung ist aber im Gegensatz zu einem öffentlichen Aufruf nicht justiziabel“, sagte der Sprecher der Kampagne, Jochen Stay. Die eingeleiteten Ermittlungsverfahren sollten offensichtlich der Abschreckung dienen. Dies werde aber kaum gelingen.

Bei den Organisationen, die die Schotter-Erklärung mittragen, handelt es sich um Anti-Atom-, Umwelt- und linke Gruppen. Zu den persönlichen Unterzeichnern des Aufrufs zählen neben Linken-Parlamentariern Aktivisten von Attac, Gewerkschaftssekretäre und eine Reihe als links bekannter Professoren.

Schünemann begrüßt Ermittlungen

Die Ermittlungsverfahren wurden von der Staatsanwaltschaft erst nach Rücksprache mit dem niedersächsischen Justizministerium eingeleitet. „Es handelt sich um eine Berichtssache“, sagte Ministeriumssprecher Georg Weßling. Oberstaatsanwalt Kazimierski sagte, man habe das Ministerium schon wegen der geplanten Ermittlungen gegen Bundestagsabgeordnete informieren müssen. „Die Aufnahme der Ermittlungen ist ohne politische Einflussnahme erfolgt“, betonte er.

Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) begrüßte die Einleitung der Verfahren. „Der Aufruf ist aus meiner Sicht klar eine Straftat“, sagte er. Dies sei in der Vergangenheit bereits höchstrichterlich bestätigt worden. „Ich verurteile in schärfster Form, dass sich auch Bundestagsabgeordnete an dem Aufruf beteiligt haben“, fügte Minister hinzu.

Der Studierendenverband „Die Linke.SDS“ forderte die Staatsanwaltschaft Lüneburg zur Einstellung der Ermittlungsverfahren auf. Massenhafter ziviler Ungehorsam gegen die Atomkraft habe eine lange Tradition, erklärte der Verband. Kriminell handele die schwarz-gelbe Bundesregierung, die sich zum Handlanger der Atomkonzerne mache.

Der nächste Transport von elf Behältern mit hochradioaktivem Müll in das Zwischenlager Gorleben wird voraussichtlich am 5. November an der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague starten. Innenminister Schünemann hat angekündigt, in der ersten Novemberwoche die Öffentlichkeit über den Polizeieinsatz zum Schutz des Transportes zu informieren. (dapd)