Kiew. Die Gewalt in der ukrainischen Hauptstadt hält an, die Situation eskaliert. Die Zahl der Toten steigt weiter. Drei Außenminister aus der EU versuchen jetzt zu vermitteln, auch Frank-Walter Steinmeier ist in Kiew. Verfolgen Sie hier die aktuelle Entwicklung.
Trotz eines vereinbarten Gewaltverzichts haben sich ukrainische Polizei und Demonstranten in Kiew neue Auseinandersetzungen geliefert. Protestierer warfen auch Feuerwerkskörper und Brandsätze auf die Sicherheitskräfte, die Tränengas abfeuerten. Gleichzeitig befinden sich die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens in der ukrainischen Hauptstadt, um zu vermitteln. Die Entwicklungen des Tages im Live-Ticker:
21:10 Uhr: Nach zwei Tagen Unterbrechung wegen der blutigen Straßenschlachten fährt in Kiew wieder die U-Bahn. Es gab aber noch immer weitreichende Einschränkungen, wie örtliche Medien am Donnerstag berichteten. So blieben mehrere Stationen im Stadtzentrum geschlossen. Die Metro war am Dienstag wegen der Straßenkämpfe zwischen Sicherheitskräften und Regierungsgegnern komplett gesperrt worden. Sie gilt als Hauptschlagader des Verkehrs in der ukrainischen Hauptstadt mit mehr als 2,8 Millionen Einwohnern.
21:02 Uhr: Das ukrainische Innenministerium hat Schüsse auf Demonstranten in Kiew eingeräumt - die Polizisten hätten aber allein aus Notwehr gehandelt. "Um unbewaffneten Sicherheitskräften die Möglichkeit zu geben, aus dem Kugelhagel zu entkommen, sind bewaffnete Beamte eingetroffen. Sie haben im Rahmen des Polizeigesetzes von Schusswaffen Gebrauch gemacht", teilte das Ministerium am Donnerstagabend mit. Die Sicherheitskräfte seien zuvor von Scharfschützen und radikalen Regierungsgegnern beschossen worden. Seit Beginn der beispiellosen Zusammenstöße seien 13 Polizisten getötet und Hunderte verletzt worden.
20:47 Uhr: Bei den politischen Vermittlungsgesprächen in der Ukraine ist nach Aussage des französischen Außenministers Laurent Fabius noch kein Durchbruch erzielt worden. "Im Moment haben wir keine endgültige Lösung", sagte Fabius am Donnerstagabend in Kiew, nachdem er gemeinsam mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und dem polnischen Chefdiplomaten Radoslav Sikorski mehrstündige Vermittlungsgespräche mit Vertretern der Regierung und der Opposition geführt hatte. Die Situation sei nach wie vor "sehr schwierig", fügte Fabius hinzu.
20:00 Uhr: Präsident Viktor Janukowitsch hat sich nach Angaben des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk bereiterklärt, in diesem Jahr vorgezogene Wahlen abzuhalten. Das habe Janukowitsch bei dem Treffen mit den Außenministern von Deutschland, Frankreich und Polen gesagt.
19:50 Uhr: Der EU-Ministerrat stellte sich einstimmig hinter den Vorschlag von Bundesaußenminister Steinmeiers und seiner beiden Kollegen, wonach in der Ukraine eine Übergangsregierung gebildet, die Verfassung reformiert und Neuwahlen vorbereitet werden müssten. Zugleich wurde die Liste der Personen komplettiert, gegen die sich die EU-Sanktionen richten sollen. Die Teilnehmer seien „zutiefst alarmiert und schockiert von den Ereignissen in Kiew“, berichtete EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton. Sie machte für die blutigen Zusammenstöße in erster Linie die politische Führung unter Janukowitsch verantwortlich. Zwar griffen offenbar auch Demonstranten zur Gewalt, räumte die Britin ein. Es sei aber erste Pflicht der Regierung, dafür zu sorgen, dass die Menschen ihr Recht auf friedlichen Protest ausüben könnten.
19:33 Uhr: Der Vollzug der EU-Sanktionen gegen die Ukraine soll davon abhängig gemacht werden, wie die diplomatische Mission der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens in der ukrainischen Hauptstadt verläuft und ob Janukowitsch einlenkt. Die Brüsseler Sondersitzung des Ministerrats zur Eskalation in der Ukraine fand ohne Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier statt, der mit seinen Kollegen Laurent Fabius (Frankreich) und Radoslaw Sikorski (Polen) in Kiew versuchte, Regierung und Vertreter der Opposition zu einem gewaltfreien Weg aus der Krise zu bewegen. Die EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton hielt telefonisch Kontakt zu den drei Ministern und informierte die Brüsseler Runde über den Fortgang ihrer Bemühungen. Deutschland, Frankreich und Polen wurden durch ihre EU-Botschafter vertreten.
18.20 Uhr: Die Außenminister der Europäischen Union haben Sanktionen gegen die politische Führung der Ukraine beschlossen. Die italienische Außenministerin Emma Bonino sagte nach einem Treffen in Brüssel am Donnerstag, man werde "sehr schnell" die Sanktionen umsetzen. Einreiseverbote und Kontensperrungen richteten sich gegen die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen und Gewalt.
17.10 Uhr: Das EU-Trio aus Deutschland, Frankreich und Polen hat einen Fahrplan für eine politische Lösung im Machtkampf in der Ukraine vorgeschlagen. Demnach sollen eine Übergangsregierung gebildet, eine Verfassungsreform begonnen und Parlaments- und Präsidentenwahlen abgehalten werden. Dies verlautete am Donnerstag nach einem Treffen der Außenminister aus den drei Ländern mit Staatspräsident Viktor Janukowitsch in Kiew.
16.20 Uhr: Das Zentrum von Kiew gerät für Dutzende Menschen zur Todesfalle. In der ukrainischen Hauptstadt feuern Unbekannte auf Regierungsgegner wie auf Sicherheitskräfte. Es gibt wohl weit mehr als 60 Tote an diesem blutigen Donnerstag. Verzweifelt versuchen Demonstranten, sich mit Helmen und selbst gebauten Schilden vor den Kugeln zu schützen. Aber oft vergeblich: Immer wieder sinken sie getroffen zu Boden und werden von ihren Mitstreitern hektisch aus dem Schussfeld gezogen. Die Szenen erinnern an einen Bürgerkrieg. Im Internet kursieren Videos von mutmaßlichen Scharfschützen - Maskierte mit gelben Armbinden.
"Mit einer einzigen Kugel" seien viele Regierungsgegner auf dem Unabhängigkeitsplatz Maidan erschossen worden, sagt der freiwillige Arzt Dmitri Kaschin. "Niemand hat zwei oder drei Wunden." Das spräche für Profis, die auf Hunderte Meter genau treffen. In einem Schnellrestaurant richten Helfer ein provisorisches Erste-Hilfe-Lager ein. Dass die Opposition und Präsident Viktor Janukowitsch erst am Vorabend einen Gewaltverzicht vereinbart haben, erscheint völlig absurd angesichts der Bilder von Blut und Chaos.
15.58 Uhr: Die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Polen verlängern ihre Vermittlungsmission in der Ukraine. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und seine Kollegen Laurent Fabius und Radoslav Sikorski bleiben am Donnerstag in Kiew und reisen nicht zu einem Krisentreffen mit ihren EU-Kollegen nach Brüssel, wie EU-Diplomaten in der belgischen Hauptstadt sagten.
Regierung bereitet landesweiten Schlag gegen Opposition vor
15.20 Uhr: Ungeachtet der Friedensbemühungen in der Hauptstadt plant die ukrainische Opposition offenbar einen landesweiten Schlag gegen die Opposition. Die ukrainischen Sicherheitskräfte haben nach Angaben von Innenminister Vitali Sachartschenko Schusswaffen für den "Anti-Terror-Einsatz" erhalten. Die Waffen dürften in Übereinstimmung mit dem Gesetz mit scharfer Munition eingesetzt werden, sagte Sachartschenko nach einer am Donnerstag verbreiteten Mitteilung. Zugleich forderte der Minister die Regierungsgegner auf, ihre Waffen niederzulegen und zu friedlichem Protest zurückzukehren. Die Oppositionsführer müssten sich von "radikalen Handlungen" distanzieren. Da sie das nicht tun werden, ist ein anhaltender Bürgerkrieg im lande zu befürchten.
"Auf den Straßen werden nicht nur Einsatzkräfte, sondern auch friedliche Bürger getötet, in Kiew und westlichen Regionen haben gewaltsame Ausschreitungen begonnen", heißt es in der Mitteilung. 67 Milizionäre seien von radikalen Kräften als Geisel gefangen genommen worden. Für deren Befreiuung müssten alle Mittel eingesetzt werden. Allein am Donnerstag seien drei Mitglieder von Polizei und Innentruppen erschossen und mehr als 50 verletzt worden, hatte das Ministerium zuvor mitgeteilt. Aufseiten der Regierungsgegner war nach unbestätigten Angaben von Dutzenden Toten die Rede.
14.29 Uhr: Die russische Regierung drängt den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, die Ordnung in seinem Land wiederherzustellen. Janukowitsch dürfe nicht zulassen, dass die Opposition über ihn wie über einen "Fußabtreter" hinweggehe, sagte Ministerpräsident Dmitri Medwedew. Russland könne nur mit legitimen und effektiven Regierungen zusammenarbeiten. Medwedews Worte sind das bisher stärkste Signal, dass Russland Ordnung auf den Straßen Kiews erwartet, bevor es bereit ist, der Ukraine weiter finanziell zu helfen.
13.51: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnt den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch vor einem Spiel auf Zeit. Merkel habe die Eskalationen in einem Telefonat mit Janukowitsch am Donnerstagvormittag scharf verurteilt, erklärt Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Alle Seiten müssten unverzüglich von Gewalt Abstand nehmen und die vereinbarte Waffenruhe umsetzen. Die Hauptverantwortung dafür liege bei der Staatsführung.
Polen gründen eine Unterstützungskomitee
13.50: In Polen wird ein Unterstützungskomitee für die Ukraine gegründet, das mit Geld-, Sach- und Medikamentenspenden Opfer der Gewalt unterstützen will. Auch rechtliche Hilfe solle gewährt werden, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Gründungsaufruf auf der Webseite des polnischen Europaparlamentariers Pawel Kowal. "Wir sind Zeugen der dramatischsten Ereignisse seit 20 Jahren in unserer unmittelbaren Nachbarschaft", heißt es in dem Aufruf. Die EU müsse so schnell wie möglich eine Beobachtermission in die Ukraine entsenden. "Das ist Europa der Ukraine schuldig."
13.39 Uhr: Bei den neuen schweren Zusammenstößen in Kiew sind nach offiziellen Angaben mindestens drei Sicherheitskräfte getötet und mehr als 50 verletzt worden. Mehr als 30 Einsatzkräfte hätten Schusswunden erlitten, teilt das ukrainische Innenministerium mit. Seit Dienstag seien damit insgesamt mehr als 500 Mitglieder von Polizei und Innentruppen verletzt worden.
13.26 Uhr: Das ukrainische Innenministerium fordert die Einwohner von Kiew auf, zu Hause zu bleiben und vor allem nicht ins Stadtzentrum zu gehen. Auf den Straßen stünden "bewaffnete und aggressive Menschen", erklärt das Ministerium zur Begründung. Es sei daher das Beste, "die Nutzung von Fahrzeugen einzuschränken oder einfach im Haus zu bleiben". Dem Ministerium untersteht die ukrainische Polizei.
EU denkt über ein Waffenembargo nach
13.19 Uhr: Angesichts der blutigen Eskalation in der Ukraine erwägt die Europäische Union neben gezielten Sanktionen gegen die Verantwortlichen auch ein Waffenembargo gegen das Land. Das geht aus einem Entwurf für eine gemeinsame Erklärung der EU-Außenminister hervor, der in Brüssel der Nachrichtenagentur afp vorliegt.
13.11 Uhr: In einer dramatischen Ansprache fordert der Chef der Kiewer Stadtverwaltung von Präsident Viktor Janukowitsch ein Ende des Blutvergießens. "Menschliches Leben muss der höchste Wert im Staat sein", sagt Wladimir Makejenko (48). Dabei verkündet er seinen Austritt aus der regierenden Partei der Regionen. Die Parlamentsabgeordneten fordert er auf, sich als lebende Schutzschilde zwischen die Fronten zu stellen. "Keine Macht ist das Leben von Menschen wert, kein Oligarch ist gestorben, nicht ein Politiker", betont der Politiker.
13 Uhr: Das Gespräch im Präsidentenamt zwischen Präsident Janukowitsch und den Außenministern Deutschlands, Frankreichs und Polens dauert auch am Mittag noch an. Bis dahin hat die Runde bereits über zwei Stunden verhandelt.
Russland verurteilt den "blutigen Umsturz"
12.26 Uhr: Russland hat den ukrainischen Regierungsgegnern erneut vorgeworfen, sie planten einen blutigen Umsturz in Kiew. "Wir verurteilen die Taten der Radikalen und Extremisten auf das Schärfste", sagte Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch. Auch die Oppositionsführer trügen große Verantwortung, da sie nicht dafür gesorgt hätten, dass ein mit der Führung vereinbartes Gewaltende eingehalten werde. Russland fordere ein Ende des Blutvergießens und eine Rückkehr zum Dialog.
12.06 Uhr: Die Regierung sieht die Schuld für die Gewaltausbrüche bei den Demonstranten auf dem Maidan. Die Präsidialkanzlei in Kiew schreibt in einer Mitteilung: "Sie haben angegriffen. Es sind organisierte bewaffnete Gruppen, die Schusswaffen benutzen, darunter Scharfschützengewehre, um zu töten. Die Sicherheitskräfte hingegen sind unbewaffnet und wenden ausschließlich spezielle Mittel an. Die Zahl der toten und verletzten Einsatzkräfte geht in die Dutzenden."
11.45 Uhr: Die Opposition nennt die neuerliche Gewalteskalation auf dem Maidan eine "geplante Provokation" der ukrainischen Staatsführung. Die Aktion richte sich gegen friedliche Demonstranten, heißt es in einer Erklärung auf der Webseite von Oppositionsführer Vitali Klitschko.
Ukrainische Olympioniken reisen ab
11.34 Uhr: Aus Protest gegen das brutale Vorgehen der Regierung in Kiew gegen die Opposition verkünden die ukrainische Skirennläuferin Bogdana Mazozka und ihr Trainer Oleg Mazozki ihre Abreise von Olympia in Sotschi. "Wir sind entrüstet über die Handlungen des Präsidenten und der Regierung. Wir haben beschlossen, nicht mehr anzutreten, obgleich wir die Ukraine sehr lieben", sagen beide am Donnerstag dem ukrainischen TV-Sender 1+1. Nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOC) dem ukrainischen Team das Tragen eines Trauerflors untersagt habe, hätten sie sich zur Abreise entschlossen. "Sollen wir lächeln, wenn es in der Ukraine soviel Blut und Opfer gibt? Das ist einfach unmöglich!" Das IOC hatte am Vortag einen Antrag der Ukrainer zurückgewiesen, wegen der vielen Opfer in Kiew Trauerflor tragen zu dürfen.
11.28 Uhr: Dutzende Abgeordnete der ukrainischen Regierungspartei haben sich angesichts der tödlichen Auseinandersetzungen in Kiew für eine Beteiligung der Opposition an der Macht ausgesprochen. So solle aus den Reihen der Regierungsgegner das einflussreiche Amt des Parlamentspräsidenten besetzt werden. Das teilt der frühere Vizeregierungschef Sergej Tigipko am Donnerstag stellvertretend über Facebook mit. Zudem müsse die Regierung umgebildet werden. Es solle auch eine Untersuchungskommission geben, die die Gewalttaten aufklärt.
11:19 Uhr: Aus Sicherheitsgründen wird der Regierungssitz geräumt. Alle Angestellten des Kabinetts seien am Donnerstagmorgen aus dem Gebäude unweit der Proteste in Sicherheit gebracht worden, sagt eine Regierungssprecherin.
Offenbar mehr als 20 Tote seit der Waffenruhe
11.11 Uhr: In Kiew sind bei der jüngsten Gewalt zwischen Demonstranten und Polizei mehr als zwanzig Menschen ums Leben gekommen. Ein Reuters-Reporter zählt in den Straßen rings um den Maidan 21 Tote. Alle Opfer seien Zivilisten. Offiziell bestätigt sind die Angaben nicht. Das Präsidialamt berichtet dagegen von "Dutzenden Polizisten", die getötet oder verletzt sein worden.
10.49 Uhr: Der Chef des ukrainischen Präsidialamts, Andrej Kljujew, warnt die Europäische Union mit Nachdruck vor Strafmaßnahmen gegen die Führung in Kiew. "Sanktionen würden die Situation verschärfen, sie wären Öl ins Feuer", betont Kljujew am Donnerstag in Kiew. "Einseitige Schritte" würden die frühere Sowjetrepublik vor eine Zerreißprobe stellen. "Bei Sanktionen droht die Gefahr, dass das Land in zwei Teile zerbricht", sagt der Vertraute von Präsident Viktor Janukowitsch. Die Außenminister der 28 EU-Staaten wollen am Nachmittag in Brüssel über Sanktionen gegen die Urheber der Eskalation der Gewalt in der Ukraine beraten.
10.20 Uhr: Ein Augenzeuge macht auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew 15 Tote aus. Die Leichen seien an drei Stellen des Maidan verteilt. Alle seien Zivilisten, sagt Reuters-Fotograf Vasily Fedosenko. Die Behörden bestätigen
Europäische Außenminister sind bei Janukowitsch
10.16 Uhr: Die drei Außenminister aus Deutschland, Polen und Frankreich sind in Kiew am Präsidialamt von Staatsoberhaupt Viktor Janukowitsch eingetroffen. Das berichtet ein dpa-Reporter um kurz nach 10 Uhr (MEZ) aus dem Begleittross von Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Zu dem Treffen mit Janukowitsch seien weder Journalisten noch TV-Kameras zugelassen, heißt es. Begleitet wird Steinmeier von den Außenministern des sogenannten Weimarer Dreiecks, Laurent Fabius aus Frankreich und Radoslaw Sikorski aus Polen.
Zuvor gab es Verwirrung gegeben: Diplomaten hatten mitgeteilt, die Außenminister seien wegen des erneuten Gewaltausbruchs aus Kiew abgereist, ohne Janukowitsch zu treffen.
09.41 Auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew sieht ein Reuters-Augenzeuge zehn Leichen. Sechs mit Tüchern bedeckte Tote seien am nordwestlichen Ende des Platzes und vier weitere an anderer Stelle zu sehen, berichtete Reuters-Fotograf Vasily Fedosenko.
Treffen mit der Opposition in der deutschen Botschaft
9.27 Uhr: Die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Polen haben ihre Vermittlungsmission in der Ukraine aufgenommen. Zum Auftakt ihres Besuchs in Kiew trafen sie mit Vertretern der ukrainischen Opposition zusammen. Die Minister seien gekommen, "um ein Ende der Gewalt einzufordern", sagte Steinmeier vor dem Treffen in der deutschen Botschaft. "Die Zukunft der Ukraine kann nur hier selbst gefunden werden, und sie wird nicht auf den Straßen mit Gewalt gefunden."
Auf ukrainischer Seite nahmen die Oppositionsführer Vitali Klitschko, Arseni Jazenjuk und Oleg Tiagnibok an dem Gespräch teil. Klitschko sagte nach dem Treffen, die Situation in der Ukraine sei "außer Kontrolle". Jazenjuk sagte, in der Ukraine herrsche "großes Durcheinander". Das Blutvergießen müsse sofort beendet werden. Nach dem Treffen mit den Oppositionsführern wollen die drei europäischen Minister in den Präsidentenpalast weiterfahren
Auf dem Maidan sind die ersten Toten des Tages zu sehen
9.22 Uhr: Das Fernsehen zeigt am Donnerstag Bilder, in denen zwei Leichen in der Nähe des zentralen Maidan-Platzes zu sehen sind. Die Körper sind mit Decken verhüllt. Trotz des erst am Mittwoch vereinbarten Gewaltverzichts feuert die Polizei Blendgranaten, die Demonstranten schießen Feuerwerkskörper ab.
9.12 Uhr: Die Demonstranten haben nach erneuten Auseinandersetzungen mit der Polizei die Kontrolle über den Maidan-Platz zurückgewonnen. Fernsehbilder zeigen, wie die Regierungsgegner auf Gebiete vorrücken, die am Tag zuvor in der Hand der Polizei waren. Mehrere Polizisten wurden von Demonstranten gefangengenommen und weggebracht.
"Janukowitsch wird nicht zurücktreten"
9.00 Uhr: Nach Ansicht des Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), wird der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch nicht zurücktreten. "Und die Leute, die den Rücktritt des Präsidenten fordern, haben nicht die Mittel, ihn dazu zu zwingen", sagt Schulz im ZDF. Die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Polen müssten bei ihren Treffen in Kiew beide Konfliktparteien zu Gesprächen und möglicherweise vorgezogenen Neuwahlen bewegen. "Wenn sie an einem Tisch sitzen, dann schießen sie schon mal nicht", sagt Schulz. Gelinge dies nicht, werde es Sanktionen der EU geben. Dabei gehe es vor allem um eine Sperrung von Konten und die Einschränkung der Reisefreiheit von Mitgliedern der ukrainischen Regierung.
8:41 Uhr: Die ukrainische Regierung beschuldigt die Demonstranten in Kiew, gezielt auf Sicherheitskräfte geschossen zu haben. Mindestens 23 Uniformierte seien verletzt worden, teilt das Innenministerium mit. "Scharfschützen" der radikalen Regierungsgegner würden im Stadtzentrum Mitglieder der Spezialeinheit Berkut sowie Truppen des Innenministeriums ins Visier nehmen. Die Opposition wirft wiederum der Führung den Einsatz von Schusswaffen vor.
Zahl der Toten steigt auf 28
7.57 Uhr: Nach den blutigen Straßenschlachten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist die Zahl der Toten den Behörden zufolge auf 28 gestiegen. 287 Menschen seien weiterhin zur Behandlung im Krankenhaus, darunter vier Minderjährige und zwei Ausländer, teilt das Gesundheitsministerium am Donnerstag auf seiner Internetseite mit. Auch ein Abgeordneter und 88 Sicherheitsbeamte wurden demnach verletzt.
3.01 Uhr: Angesichts der schweren Unruhen in Kiew verhängen die USA erste Sanktionen gegen die ukrainische Führung. Es sei eine Einreisesperre für 20 Regierungsmitglieder und andere Funktionäre beschlossen worden, die verantwortlich gemacht würden für die "Verletzung der Menschenrechte in Verbindung mit der politischen Repression in der Ukraine", erklärt ein US-Diplomat in der Nacht zu Mittwoch in Washington. Er nennt keinen Namen, erklärt jedoch, betroffen seien alle in der "Kommandokette", die am Dienstag die Erstürmung des Protestlagers auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz angeordnet habe.
Rutscht die Ukraine in einen Partisanenkrieg?
Am Mittwoch war das Blutvergießen in Kiew weitergegangen, nachdem ein Generalangriff der Polizeikräfte auf den Platz der Unabhängigkeit (Maidan) gescheitert war, wo sich Zehntausende Oppositionelle verschanzt haben. Den ganzen Tag über bedrängte die Einsatzpolizei den Maidan, es flogen Pflastersteine und Molotowcocktails, die Scharfschützen versuchten nach Aussagen von Rotkreuz-Sanitätern, Straßenkämpfern gezielt mit Gummikugeln die Augen auszuschießen. Sie feuerten auch mit scharfer Munition. Die Aufständischen hielten dagegen: „Mit Gottes Hilfe, mit Pflastersteinen und Molotowcocktails werden wir siegen“, feuerte ein Redner die Maidan-Verteidiger an.
Im westukrainischen Lemberg hat ein Volksrat der Aufständischen die Macht übernommen, auch in anderen Regionen stürmten Menschenmengen die Regionalverwaltungen. Inzwischen droht der gesamten Ukraine das Chaos. Erst flogen Argumente, dann Schimpfwörter, Steine und Brennsätze, jetzt drohen tödliche Bleikugeln endgültig die Lufthoheit zu übernehmen.
„Das Land ist dabei, in einen Partisanenkrieg zu rutschen“
Augenzeugen streiten, wer die ersten Steine und Molotowcocktails geworfen hat. Aber die Aggressionen, die sich dann auf beiden Seiten entluden, lassen an jeder friedlichen Lösung zweifeln. „Das Land ist dabei, in einen Partisanenkrieg zu rutschen,“ sagt der Publizist Ayder Muschdabajew. „Die Staatsmacht hat die Opposition monatelang an die Wand gedrückt und sie so radikalisiert.“ Er befürchtet, dass Oppositionsaktivisten in den Untergrund gehen und Überfälle auf Beamte starten.
Schon haben radikale Kämpfer des „Rechten Sektors“ einen Kontrollposten der Verkehrspolizei bei Kiew überfallen, um den Weg für Verstärkung zu öffnen. Verteidigungsminister Pawel Lebedew entsandte Fallschirmjäger aus Donezk nach Kiew. Die Beobachter streiten, was passiert, wenn die Armee in die Kämpfe eingreift. Ein Großteil ihrer schweren Waffen soll in einem Arsenal nahe Lemberg liegen, das von den Aufständischen kontrolliert wird.
Janukowitsch schlachtet Blutvergießen für eigene Propaganda aus
Präsident Viktor Janukowitsch und sein Gefolge bemühten sich nach Kräften, das Blutvergießen propagandistisch auszuschlachten: „Sie haben die Grenze überschritten, als sie die Menschen zu den Waffen riefen“, schimpfte Janukowitsch über die Oppositionsführer. „Eine schreiende Gesetzesverletzung. Und Gesetzesbrecher gehören vor Gericht…“
Janukowitsch schwieg allerdings dazu, welche Gesetze es seiner Staatsmacht gestatten, seit dem Beginn der Proteste Schläger in Zivil auf die Demonstranten zu hetzen. Und die Pressestelle des Innenministeriums versichert, man setze keine scharfen Waffen ein, die Extremisten auf dem Maidan jagten sich gegenseitig Kugeln in die Köpfe.
Stimmen der Vernunft sind noch vernehmbar
Janukowitsch und sein Regime haben Moskaus Rückendeckung. Das russische Außenministerium erklärte, in der Ukraine sei eine „braune Revolution“ im Gang und ärgerte sich offiziell über die ausbleibende „eindeutige Reaktion der europäischen Politiker“, die nicht zugeben wollten, dass die Opposition alle Verantwortung trage.
Noch machen sich in Kiew allerdings auch Stimmen der Vernunft bemerkbar. Eine Gruppe von 19 unabhängigen Parlamentariern und Abgeordneten der regierenden „Partei der Regionen“ rief zu einer Sondersitzung des Parlaments auf, um das Blutvergießen zu beenden. „Kommt in den Saal, setzt euch zusammen und stimmt ab!“ forderte die Abgeordnete Inna Bogoloslowska, die die Rückkehr zur Verfassung von 2004 und eine überparteiliche „Regierung des Vertrauens“ vorschlägt. Reaktionen blieben zunächst aus. Janukowitschs Geheimdienst SPU aber startete offiziell eine landesweite „Antiterroraktion“.
(mit dpa, rtr)