Düsseldorf. Sollten Jugendliche geimpft werden? NRW und die anderen Länder klären die Details. Aber es gibt Vorbehalte gegen die Impfkampagne.

Kurz vor dem Corona-Impfgipfel von Bund und Ländern am Donnerstag werden in NRW Zweifel lauter, ob die Impfung von Jugendlichen noch vor den Sommerferien Fahrt aufnehmen kann. Vor allem gegen die Impfung in Schulen gibt es Vorbehalte.

"Es ist wichtig, bei der Impfung auch Schülerinnen und Schüler in den Blick zu nehmen, aber der Zeitplan scheint sehr ambitioniert“, sagte Stefan Behlau, Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, dieser Redaktion. Er erinnert daran, dass der Impfstoff noch nicht zugelassen ist und bald schon die Ferien beginnen. Für die Immunisierung junger Menschen könnten die Impfzentren genutzt werden.

Verband VBE: Großer Aufwand für Schul-Impfungen

„Schulimpfungen mögen sich gut anhören, aber der Aufwand darf nicht unterschätzt werden. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen müssen Informationen, Beratung, Räume und Abläufe verantwortungsvoll unter Einbeziehung der Eltern organisiert werden“, so Behlau.

Bund und Länder hoffen auf eine Zulassung des Impfstoffes von Biontech/Pfizer für 12- bis 15-Jährige Ende Mai oder Anfang Juni. Dann könnten Jugendlichen in Schulen, Impfzentren und Arztpraxen geimpft werden. Die NRW-Regierung will die Ergebnisse des Gipfels abwarten. Offen ist, ob überhaupt genügend Impfdosen zur Verfügung stehen.

Axel Gerschlauer, Sprecher des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte in Nordrhein, warnt vor einer „Impfpflicht durch die Hintertür“. Eine Corona-Schutzimpfung sei für Kinder mit Vorerkrankungen und bestimmten Risikofaktoren notwendig. „Aber wir dürfen jetzt nicht vollkommen gesunde Zwölfjährige impfen, nur damit sich die Lehrer in den Schulen besser fühlen“, sagte Gerschlauer dieser Redaktion. Der Deutsche Kinderschutzbund warnte ebenfalls davor, Eltern und Kinder zu dieser Schutzimpfung zu drängen.

Grünen-Fraktionschefin Paul: "Impfung muss zu den Jugendlichen kommen"

„Es braucht jetzt eine klare Strategie, wie die Impfungen für Jugendliche organisiert werden sollen, sobald der Impfstoff für die Altersgruppe ab zwölf Jahren zugelassen ist. Derzeit mangelt es ja insgesamt noch an Impfstoff“, sagte Josefine Paul, Fraktionschefin der Grünen im Landtag.

Die Impfung müsse möglichst zu den Jugendlichen kommen, so Paul. „Mobile Impfteams müssen jetzt vorbereitet werden, um Reihenimpfungen in Quartieren, über Schulen oder Familien- und Jugendzentren, bei entsprechender Verfügbarkeit des Impfstoffs, durchführen zu können. Impfungen müssten unbedingt mit guter Information und Aufklärung für die Eltern und Jugendliche einhergehen.“ In Impfzentren sollten Immunisierungen außerhalb des schulischen Kontextes angeboten werden.

Bund und Länder bereiten die Impfung von Kindern und Jugendlichen vor. Aber noch sind viele Fragen ungeklärt. Ein Überblick:

Wann beginnen die Impfungen?

Möglicherweise im Juni. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA könnte den Impfstoff von Biontech/Pfizer Ende Mai für Jugendliche zwischen zwölf und 15 Jahren zulassen. Das heißt aber nicht, dass die Kampagne gleich danach beginnt. Die Ständige Impfkommission (Stiko) will die Zulassung für Deutschland erst sorgfältig prüfen. Der Hersteller Moderna kündigte ebenfalls an, für seinen Impfstoff eine Zulassung ab zwölf Jahren zu beantragen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat das Ziel ausgerufen, dass die Länder den Schülern bis Ende August ein Impfangebot machen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) glaubt, dass die ersten Impfungen noch vor den Sommerferien möglich seien. Sie  beginnen in NRW am 5. Juli.

Gibt es genügend Impfdosen?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagt, dass genügend Biontech-Dosen für die Impfung der Jugendlichen reserviert werden müssten. Der Bund und NRW versichern, das gehe nicht zu Lasten von anderen Impfwilligen. Wahr ist aber auch: Impfstoffe sind nach wie vor knapp, und im Juni wollen auch viele Betriebsärzte Biontech verimpfen.

Wo werden Jugendliche geimpft?

Es gibt vier Optionen: Bei Kinder- und Jugendärzten, in den Impfzentren, in den Schulen und in der Nähe von Wohnquartieren (mit mobilen Impfteams). NRW setzt sehr auf die Impfzentren. Die Impfung von Kindern und Jugendlichen sei ein Grund, diese Zentren weiter zu betreiben. Beim Impfgipfel am Donnerstag wird es aber auch darum gehen, ob direkt in den Schulen geimpft werden sollte. Wird der Impfstoff zügig zugelassen, gäbe es in NRW die Chance, drei oder vier Wochen vor den Ferien mit Schul-Impfungen zu beginnen. Die Schüler gehen ab 31. Mai wieder in den Präsenzunterricht.

Der Sprecher des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte für Westfalen-Lippe, Michael Achenbach, sagte dieser Redaktion, dass der impfende Arzt die Gelegenheit haben sollte, ausführlich mit den Eltern zu sprechen und Informationen über den Impfling zu bekommen. „Das ist bei einer Schul-Impfaktion nicht leicht“, gibt es zu Bedenken.

Die Landespolitik befürchtet, dass Eltern gegen Impfaktionen in den Schulen protestieren könnten und Familien sich unter Druck gesetzt fühlen.

Was spricht für und was gegen diese Impfung?

Dafür spricht, dass mit der Immunisierung der Jugendlichen früher die so genannte Herdenimmunität erreicht werden könnte: Wenn sehr viele Menschen geimpft sind, kann sich das Virus nicht mehr ausbreiten.

Dagegen spricht, dass das Risiko für die Jüngsten, schwer an Covid-19 zu erkranken, kleiner ist als bei Älteren. Anders gesagt: Der individuelle Nutzen des jungen Geimpften ist geringer als bei Erwachsenen. „Die Impfkampagne für Kinder und Jugendliche hat also vor allem ein soziales Ziel: Sie soll ein Dienst an der Gesellschaft sein, weil Herdenimmunität ohne die Jüngeren schwer zu erreichen ist“, erklärt Michael Achenbach. Wenn man Kinder impfe, obwohl ihr Risiko, schwer zu erkranken, klein sei, dann müsse der Impfstoff besonders sicher sein.

Welche Sorge haben die Kinderärzte?

Dass es doch zu einer Impfpflicht kommen könnte. Axel Gerschlauer, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Nordrhein, warnt vor solch einem Schritt und fordert, dass auch der Besuch des Präsenzunterrichts nicht an den Impfstatus eines Kindes gebunden sein darf. „Es darf keine Impfpflicht durch die Hintertür geben“, sagt er.

Eine Corona-Schutzimpfung sei für Kinder mit Vorerkrankungen und bestimmten Risikofaktoren notwendig. „Aber wir dürfen jetzt nicht vollkommen gesunde Zwölfjährige impfen, nur damit sich die Lehrer in den Schulen besser fühlen“, so Gerschlauer. Er unterstreicht, dass Kinder und Jugendliche keine Pandemietreiber seien. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung warnt davor, das Ziel der Herdenimmunität als Begründung für Impfungen Jugendlicher heranzuziehen.

Was fordern Fürsprecher der Kinder und Jugendlichen?

Einen Zugang zur Corona-Schutzimpfung, aber keine Verpflichtung, das Angebot auch in Anspruch zu nehmen. Jeder Schüler müsse die Chance erhalten, sich impfen lassen zu können, sagt Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes.

„Dazu braucht es aber die doppelte Einwilligung, die des Kindes und die des Sorgeberechtigten.“ Es dürfe keine Impflicht geben, auch dürfe kein Druck auf die Kinder und Jugendlichen ausgeübt werden, sich impfen zu lassen. Deshalb sollte nicht in den Schulen geimpft werden, sagt Hilgers. „Impfen sollten die Kinderärzte. Sie kennen ihre Patienten mit ihrer Vorgeschichte und bieten einen geschützten Raum.“