Düsseldorf. Bis zu 3500 Euro pro Haushalt bekommen Menschen in existenzieller Not als „Starthilfe“ nach der Flutkatastrophe.
Die NRW-Landesregierung hat am Donnerstag 200 Millionen Euro Soforthilfe für die Flutopfer beschlossen. Betroffene könnten ab sofort Hilfsanträge stellen, eine Überprüfung der Bedürftigkeit werde es zunächst nicht geben, erklärte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). „Wir werden so viel Geld aufbringen, wie erforderlich ist“, versprach der Regierungschef.
Das Land will Bürger, die durch die Katastrohe in existenzielle Not geraten sind, unmittelbar unterstützen: Jeder betroffene Haushalt erhält für den Kauf von Dingen des täglichen Bedarfs einen Sockelbetrag von 1500 Euro als „Starthilfe für die erste Milderung der Not“. Für jede weitere Person stehen 500 Euro bereit. Pro Haushalt werden durch die Kommunen höchstens 3500 Euro ausgezahlt, per Überweisung auf ein Konto oder als Barauszahlung.
Laschet: "Wir vertrauen den Bürgern"
Die Anträge könnten noch in dieser Woche gestellt, das Geld spätestens Anfang der kommenden Woche ausgezahlt werden, so die Regierung.
Laut Laschet gebe es keine Bedürftigkeits-, Vermögens- oder Detailprüfung. „Wir vertrauen den Bürgern“, sagt er. Die Städte und Kreise könnten aber später gut beurteilen, ob ein Antragsteller in tatsächlich in einem vom Hochwasser betroffenen Gebiet wohne oder nicht.
Neben dieser Nothilfe für Anwohner werden weitere geschädigte Gruppen in der Soforthilfe berücksichtigt: Firmen und Freiberufler erhalten demnach 5000 Euro, Land- und Fortwirte dürften mit Unterstützung rechnen, für die Kommunen werden laut NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) insgesamt 65 Millionen Euro bereitgestellt. Der Bund hatte bereits am Mittwoch eine Soforthilfe von zunächst 200 Millionen Euro für die Hochwassergebiete beschlossen.
Auch die EU soll helfen
Bund und Länder wollen darüber ein Aufbauhilfe-Paket schnüren, so Laschet. Die Details zu dieser „großen nationalen Solidaritätsaktion“ will Laschet nun möglichst zeitnah im Rahmen einer Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin klären. „Wenn Not da ist, darf man die, die das alles ertragen müssen, nicht allein lassen“, sagte er.
Unterstützung erwartet NRW auch durch die Europäische Union: Der Gesamtschaden sei so groß, dass Geld aus dem Europäischen Solidaritätsfonds beantragte werden könne.
Zu den Hilfsmaßnahmen hat die Landesregierung unter 0211-4684 4994 ein „Bürgertelefon Fluthilfe“ eingerichtet. Online stehen Informationen zur Soforthilfe unter dieser Adresse: www.land.nrw/soforthilfe
Land öffnet die Trauma-Ambulanzen für Flutopfer
„Das Unwetter hat unserer Heimat tiefe Wunden zugefügt“, sagte Laschet am Donnerstag bei der Vorstellung der Soforthilfe. Wunden in der Landschaft, in den Städten, aber auch in den Köpfen sind gemeint.
NRW kündigte daher an, dass Betroffene der Flutkatastrophe mit psychologischer Unterstützung rechnen könnten. Das Land öffnet dafür die Trauma-Ambulanzen der Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland. Hilfesuchende dürften sich dafür an die Verbände oder direkt an die Ambulanzen wenden.
„Viele Menschen in den betroffenen Regionen stehen vor dem Nichts. Freunde, Verwandte oder Nachbarn sind den Fluten zum Opfer gefallen. Diese psychische Belastung ist nur schwer erträglich“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).
Trauma-Ambulanzen sind eigentlich für Gewaltopfer vorgesehen. Es gibt sie zum Beispiel in Duisburg, Düsseldorf, Essen, im Kreis Euskirchen und in Meschede.
Probleme mit der Müllentsorgung
Die Grünen forderten dringende Maßnahmen gegen die Müllberge und die damit verbundenen Infektionsgefahren in den NRW-Hochwassergebieten. In einer am Donnerstag verschickten Mail an Ministerpräsident Laschet mahnte die Spitze der Landtagsfraktion: „Das Bundesinnenministerium warnt bereits vor einer erhöhten Infektionsgefahr für die Menschen in Verbindung mit steigenden Temperaturen. Deshalb ist es unerlässlich, dass schnell für eine Müllentsorgung gesorgt wird.“
Die beiden Fraktionsvorsitzenden Verena Schäffer und Josefine Paul baten Laschet und seinen Staatskanzleichef Nathanael Liminski (ebenfalls CDU), gemeinsam mit den Bezirksregierungen für eine rasche Entsorgung des Mülls zu sorgen.
"Wir werden lernen müssen, die Signale der Sirenen zu verstehen"
Laut Laschet konnte das Entsorgungsproblem innerhalb von nur drei Tagen gelöst werden: „Die Abfallbeseitigung ist an ihre Grenzen gekommen. Es braucht hier überregionale Hilfe“, sagte er. NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) habe den Städten per Erlass die Abfallentsorgung rechtlich erleichtert. Es könnten zum Beispiel Zwischenlager eingerichtet werden. Zusammen mit dem Bundesverband der Entsorgungswirtschaft und dem Verband Kommunaler Unternehmen werde nun überregional die Entsorgung gesichert wird. Laschet: „Das heißt, auch in anderen Bundesländern werden Abfälle aus NRW entsorgt.“
Der Ministerpräsident erneuerte seine Forderung, das in diesen Tagen viel kritisierte Katastrophen-Warnsystem „in der gesamten Breite“ zu überprüfen. NRW und ganz Deutschland benötigten einen digitalen und analogen Alarm-Mix, zum Beispiel gut funktionierende Warnapps, Warn-SMS und Sirenen. „Wir werden auch wieder lernen müssen, die Signale der Sirenen zu verstehen.“ (mit dpa)