Bonn.

Schlechte Stimmung vor dem UN-Klimagipfel in Cancún in Mexiko. Deutschland und andere Industrienation geizen mit den zugesagten Finanzhilfen, ein neues Abkommen ist nicht in Sicht.

Die große Ernüchterung. Zwei Wochen vor der UN-Klimakonferenz in Cancún in Mexiko spricht niemand mehr vom „big deal“, von einem neuen, weltweit verbindlichen Abkommen. Seit dem gescheiterten Gipfel in Kopenhagen vor einem Jahr zog ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen über die Klimaverhandlungen. Nun drücken sich Deutschland und andere Nationen um zugesagte Milliardenhilfen für arme Länder. Die Stimmung ist vergiftet.

Christiana Figueres, die neue Leiterin des UN-Klimasekretariates in Bonn, bat Anfang der Woche zum letzten Pressebriefing vor Cancún. Interessiert hat es nur wenige. Figueres, Tochter des früheren costa-ricanischen Präsidenten José Figueres Ferrer, machte es kurz: „Es ist unrealistisch, von den Regierungen zu erwarten, in einem Schritt zu einem umfassenden, rechtlich bindenden Abkommen zu gelangen.“ Punkt.

2012 aber wird das Kyoto-Protokoll auslaufen. Die USA haben es nicht ratifiziert, die boomenden Schwellenländer China und Indien sind nicht an Klimaschutzziele gebunden. Diese drei Länder verursachen allein 40 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen. Auch wenn es nicht umfassend ist: Das Kyoto-Protokoll ist bislang das einzige verbindliche Abkommen zum Klimaschutz. Wie es nach 15 Jahren Verhandlungen mit ihm weitergeht, ist offen.

Christopher Bals von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch und einer der profiliertesten politischen Beobachter, sieht die Gespräche am Scheideweg: „Einen zweiten Fehlschlag nach Kopenhagen kann sich die internationale Klimapolitik nicht mehr erlauben. Dann würden UN-Gipfel nicht mehr ernst genommen werden. Es kämen keine Minister mehr, die Staaten würden zweitrangige Delegationen schicken. Das wäre das Ende.“

Giftig, teils aggressiv sei die Stimmung in den vergangenen Monaten gewesen, sagt Bals. Wieder einmal ist es das Geld, das für Streit sorgt. In Kopenhagen hatten die Industrieländer Milliardenhilfen zugesagt, damit arme Länder die Anpassung an die Folgen des Klimawandels bezahlen können. „Bislang liegt nur ein kleiner Prozentsatz dieser Summe auf dem Tisch“, kritisiert Bals.

Auch Deutschland knausert und trickst. Ursprünglich sollten bis 2017 etwa eine Milliarde Euro in den internationalen Klimaschutz fließen – bezahlt aus dem Energie- und Klimafonds, der im Rahmen der Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke aufgelegt wird. Hierüber hat die Bundesregierung nun eine fast vollständige und mehrjährige Haushaltssperre verhängt.

An anderer Stelle wird doppelt gerechnet. Das Geld für den Waldschutz, das Kanzlerin Angela Merkel ein Jahr zuvor auf der Artenschutz-Konferenz versprochen hatte, soll gleichzeitig als Klimaschutzbeitrag gelten. Auch Kredite sollen als Zahlungen angerechnet werden. So könnten auf dem Papier sämtliche Finanzzusagen erfüllt werden, ohne dass ein Euro mehr für Klimaschutz ausgegeben werden müsste. „Das zerstört das Vertrauen“, sagt Christopher Bals.