Berlin. .
Das Energiekonzept der Bundesregierung ist beschlossen. Sieben Stunden dauerte die schwere Geburt im Parlament. Doch die Sache ist längst nicht ausgestanden.
Nach einer guten Stunde hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Nase voll. Die Kollegen, die der Debatte nicht sachlich folgen wollten oder könnten, sollten das Plenum doch verlassen, empfahl Lammert.
Es waren giftige, von Anschuldigungen gespickte Redescharmützel, die sich die Minister und Abgeordneten am Donnerstag im Bundestag bei der Verabschiedung der Atomgesetznovellen lieferten. Er sei ein „Auftragsschreiber“ der Energiekonzerne, aber kein Minister für Reaktorsicherheit, polterte SPD-Chef Sigmar Gabriel gen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). „Sie brechen die Verfassung und spalten die Gesellschaft“, legte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin nach. „Die Kritiker sind energiepolitische Blindgänger, sie haben nichts drauf“, keilte Röttgen zurück und geißelte das „argumentationslose Kampfgeschrei“ der Opposition.
Zuvor hatte Röttgen versucht, für das „ambitionierteste“ Energiekonzept zu werben, das es seiner Meinung nach je gab. Umstritten ist es vor allem wegen der Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken im Schnitt um zwölf Jahre. Unter dem Strich könnten die letzten Meiler aber deutlich über 2035 hinaus laufen, falls die Energieriesen die Reststrommengen auf die neueren Kraftwerke übertragen.
Im Umweltausschuss gab es Tumult
Bereits am Morgen hatten rund 2000 Demonstranten vor dem Reichstag gegen die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke protestiert. Greenpeace-Aktivisten besetzten die CDU-Zentrale. Voller Emotionen startete auch die Bundestagsdebatte. Gleich zu Beginn forderten die Grünen, das Energiekonzept von der Tagesordnung zu nehmen und warfen Schwarz-Gelb den „Putsch“ gegen ihre parlamentarischen Rechte vor. Tage zuvor hatte es nämlich tumultartige Zustände im Umweltausschuss gegeben, welche eine sachgemäße Beratung über die Novellen unmöglich machten.
Nach 24 Änderungsanträgen der Grünen und knapp sieben Stunden Streit war die Laufzeitverlängerung formal beschlossene Sache. Erreicht hat die Bundesregierung damit aber noch nichts. Klar ist schon jetzt, dass die verlängerten Laufzeiten das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigen werden. Gabriel sowie einige Bundesländer drohten am Donnerstag einmal mehr mit einer Verfassungsklage, falls der Bund den Bundesrat übergeht. Über diese Frage streiten die Juristen seit Monaten. Der Bund hält die Beteiligung der Länderkammer für entbehrlich. Die Grünen sehen das anders und haben dazu Anfang der Woche ein entsprechendes Gutachten präsentiert. Auch die Stadtwerke laufen gegen die längeren Laufzeiten Sturm, weil sie Wettbewerbsnachteile befürchten. Sie prüfen nun eine Beschwerde bei der EU-Kommission.
Energiebranche hält sich mit Lob zurück
Sollte das Verfassungsgericht die längeren Atomlaufzeiten kippen, dann fehle Deutschland die Brücke ins Zeitalter der erneuerbaren Energien – argumentiert die Regierung. Wie Röttgen seit Wochen vorträgt, fehlen in der Bundesrepublik die Stromnetze, um die erneuerbaren Energien in alle Teile des Landes zu bringen. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) schlug in diesem Zusammenhang schon einen „Nationalen Pakt für neue Netze“ vor – ähnlich dem Ausbildungspakt.
Verhaltenes Lob am Energiekonzept bekam Schwarz-Gelb von RWE-Chef Jürgen Großmann. Damit gebe die Regierung den richtigen Kurs für den Ausbau der erneuerbaren Energien vor. „Der Kompromiss zur Laufzeitverlängerung befindet sich allerdings an der Grenze dessen, was wir gegenüber unseren Aktionären überhaupt noch vertreten können“, sagte Großmann.