Harpers Ferry. .
„Ich glaube an die Verfassung. Wenn ich sehe, wohin unser Land treibt, trifft mich das persönlich“, sagt Patricia Rucker. Seit sechs Jahren erst hat die gebürtige Venezolanerin einen US-Pass. Den Eid, den sie bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft ablegte, nimmt sie als persönliche Verpflichtung, für Amerika „alles zu tun, was ich kann“.
Die fünffache Mutter ist Herz und Motor der „Tea Party Patriots“ im Jefferson-Landkreis West-Virginias. 40 überwiegend weißhaarige Mitstreiter sind Patricias Einladung zum Stammtisch im Frühstücksraum eines Hotels im Städtchen Harpers Ferry gefolgt. Sie alle treibt um, dass Amerika nur noch ein Schatten seiner selbst sei. Präsident Barack Obama lasten sie dafür die Hauptverantwortung an. Aber auch die Republikaner bekommen ihr Fett ab. Bei Patricia machte es „klick“, als ausgerechnet die Bush-Regierung auf den letzten Amtsmetern im Herbst 2008 dem Kongress noch 700 Milliarden Dollar für strauchelnde Banken abpresste und auch noch den Autoherstellern Geld gab.
Das war der Sündenfall, der Patricia nach Mitstreitern suchen ließ, um Amerika auf den rechten Weg zurückzuführen. „Die guten alten Jungs kräftig durchschütteln“, hat Sarah Palin, die Ikone der Tea-Party-Bewegung, vorgegeben.
Im Jefferson-County sind sie dabei schon weit vorangeschritten. Bei den Vorwahlen für die Nominierung der Kandidaten für die Halbzeit-Wahlen Anfang November haben Patricia und ihre Mitstreiter die republikanischen Granden vor Ort derart unter Druck gesetzt, dass die „Tea Party“ die Partei inzwischen praktisch übernommen hat. Von einer „freundlichen Übernahme“ spricht Peter Onoszko, ein Ex-Armee-Offizier.
Überall im Land treibt die „Tea Party“ die Republikaner vor sich her. Kein Konservativer, der sein Amt nach den November-Wahlen behalten will, wagt es, sich mit der noch führungslosen Sammlungsbewegung aus Steuer-Rebellen und Washington-Hassern anzulegen. Die „Tea Party“ mit ihrer hoch motivierten Basis ist auf bestem Weg, die ideologische Vorherrschaft auf der rechten Seite zu gewinnen.
Ihr Einfluss ist in den letzten anderthalb Jahren, seit „Tea-Party“-Gruppen überall im Land wie Pilze aus dem Boden schossen, immer weiter gewachsen. Bei den republikanischen Vorwahlen für die Halbzeitwahlen in knapp drei Wochen haben sich überdies landauf, landab Kandidaten der „Tea Party“ gegen gemäßigte Republikaner durchgesetzt. Viele Amerikaner sympathisieren mit der Überzeugung der „Teetrinker“, dass Washington unter Obama sich zu sehr in das Privatleben der Bürger einmischt und Steuergelder in unbegreiflichem Ausmaß verschwendet.
„Stoppt die Ausgabenflut“, sagt ein Geschäftsmann im Frühstücksraum des Hotels, der als Ausweis seiner Gesinnung ein gelbes T-Shirt mit dem Rückenaufdruck trägt: „Wir wollen unser Land zurück.“ „Wir sind nicht per se gegen Steuern“, dämpft Peter, der Offizier, der auch in Deutschland stationiert war. „Aber wir wollen wissen, wofür genau unser Geld ausgegeben wird.“ Der Protest gegen Staat, Steuern und Schuldenwirtschaft hat in den USA eine lange Tradition.
Erhitzte Fanatiker
Im Frühstücksraum des Hotels sitzen Leute, die sich im politischen System der USA nicht mehr zu Hause fühlen und denen die Krise vielfach den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Vom „Albtraum der letzten zwei Jahre“ spricht Patricia: „Es ist an uns, die Dinge in die Hand zu nehmen.“ Bei den Debatten der „Teetrinker“ von Harpers Ferry geht es gesittet zu. Ganz anders aber bei den Demonstrationen, auf denen erhitzte Fanatiker Obama mit Stalin gleichsetzen oder wortstark Obamas Geburt auf amerikanischem Boden bestreiten.
Die „Tea Party“ will, zumal mit Blick auf 2012, wenn Obamas Wiederwahl ansteht, langen Atem zeigen.