Osnabrück. .

Von allen Seiten wird er eingefordert, von manchen gar zur Lösung für die Probleme mit der muslimischen Minderheit stilisiert: der Euro-Islam. An der Uni Osnabrück startete die bundesweit erste universitäre Weiterbildung für Imame.

„Pionierarbeit von großer Bedeutung für das ganze Land“, werde hier geleistet, sagt Aygül Özkan, Ministerin für Integration in Niedersachsen. „Imame sind nicht nur Vorbeter“, so Özkan, „sie spielen auch beim Dialog eine große Rolle.“ Nicht nur in religiösen, auch in beruflichen und Erziehungsfragen hätten sie eine Schlüsselposition. Umso wichtiger sei es, dass die Imame sich in der deutschen Gesellschaft auskennen. Özkan: „Junge Menschen muslimischen Glaubens brauchen Ansprechpartner, denen ihre Lebenswelten nicht fremd sind.“

Abkapselung

Menschen wie Yasin Kara, einer von 30 Teilnehmern des Weiterbildungsprogramms. Der Gelsenkirchener machte erst den Hauptschulabschluss, dann eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann, bevor er sich entschloss, den Glauben zum Beruf zu machen. Er ließ sich vom islamischen Verband VIKZ zum Hoca (türkisch für Imam) ausbilden. Jetzt ist Yasin 28 Jahre alt und in seiner Gemeinde in Duisburg-Bruckhausen mit den Anliegen der Jugendlichen betraut. „Man kennt die Lebensart, die Problematik im Alltag“, sagt der Deutsch-Türke. Bei seinen Altersgenossen und bei Jüngeren beobachte er eine Abkapselung: „Man entfernt sich von dem, was man nicht kennt.“

Ob der Imam in Osnabrück lernen wird, wie man dem entgegenwirken kann, ist ungewiss. Doch steht neben Ge­schichte, Sozialstruktur und politischem System Deutschlands, neben europäischer Re-formation und Säkularisierung auch pädagogische Jugendarbeit auf dem Plan.

„Ich möchte merh Dialog“

Zur Freude von Kursteilnehmer Redzo Sekic (30). Er ist Imam der Bosnischen Gemeinde Bochum. Weil er jedoch erst seit fünf Jahren in Deutschland lebt – „Ich bin Heiratsmigrant“ – verstehe er nicht immer alles, was die Kinder und Jugendlichen so erzählen oder fragen. Es geht nicht nur um die Sprache, „das schlage ich im Wörterbuch nach“, sagt Sekic, sondern um das, was zwischen den Zeilen steht. Sekic: „Die dritte Einwanderergeneration träumt auf Deutsch.“ Doch nicht nur mit der eigenen Gemeinde, auch mit den Vertretern anderer Religionen will der eingewanderte Imam sich verständigen können. „Ich möchte mehr Dialog“, sagt er.

Weit vor der Debatte darum, ob der Islam nun zu Deutschland gehört oder nicht, und auch vor der Empfehlung des Wissenschaftsrates, islamische Geistliche an deutschen Hochschulen auszubilden, wurde an der Universität Osnabrück bereits dieses Feld beackert.

Hohe Bewerberzahl

Nun soll der Bereich nach und nach ausgebaut werden: Seit dem Wintersemester 2007/2008 wird der Masterstudiengang „Islamische Religionspädagogik“ im Erweiterungsfach für das Lehramtsstudium angeboten. Für 2012 plant die Universität einen Bachelor-Studiengang für die Ausbildung von Imamen. Zudem läuft die Bewerbung um eins von bundesweit drei Instituten für islamische Theologie beim Bundesforschungsministerium. Prof. Martina Blasberg-Kuhnke, Vizepräsidentin der Uni Osnabrück, wünscht sich einen Fachbereich „auf Augenhöhe“ mit der evangelischen und katholischen Theologie. „Wir müssen jetzt Gas geben“, sagte Ministerin Özkan beim Start des Weiterbildungsprogramms, das vom Bund und Land finanziert wird. Die hohe Bewerberzahl zeige, „dass wir einen Nerv getroffen haben“.

Rund 100 Interessenten waren zu einer Informationsveranstaltung der Universität gekommen, so dass das angedachte Angebot von 15 Plätzen verdoppelt werden musste. Aus über 50 konkreten Bewerbungen wurden dann die Teilnehmer für den ersten Lehrgang ausgewählt. Nicht nur Imame, wie Prof. Ceylan betont, sondern auch seelsorgerische und pädagogische Mitarbeiter aus Moscheegemeinden.

Kleine Lösung

Bei aller Begeisterung ist auch für Ceylan das Pilotprojekt seiner Uni nur „die kleine Lösung“. Für die große müsse es noch viele weitere universitäre Standorte in Deutschland geben. „Wenn wir von einer europäischen Theologie sprechen“, sagt er, „dann brauchen wir 50 bis 100 Professoren, mindestens.“ Ceylan glaubt an eine „Revolution“, wenn bald hier geborene Muslime nach dem Abitur an einer deutschen Hochschule islamische Theologie studieren und zum Imam ausgebildet werden können.