Berlin. .
Die Arbeitgeber beklagen falsche Anreize bei der neuen Hartz-Hinzuverdienstregelung. Bayerns Ministerpräsident Seehofer fordert eine schärfere Gangart in der Sozialpolitik.
Die geplante Reform der Hinzuverdienstregelung für Hartz-IV-Empfänger stößt im Arbeitgeberlager auf Ablehnung. „Die Neuregelung ist enttäuschend und wird keine Wirkung zeigen“, beklagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Trotz der höheren Zuverdienstgrenzen bleibe es bei einem gravierenden Fehlanreiz, nicht wieder schnell in die Vollzeittätigkeit zu gelangen. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich verteidigte den Koalitionskompromiss hingegen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) forderte eine schärfere Gangart in der Sozialpolitik.
Bei sogenannten Aufstockern, die zwischen 800 und 1.000 Euro pro Monat verdienen, soll künftig weniger Lohn auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden. Bisher dürfen bei Hartz IV jene, die bis 800 Euro verdienen, 20 Prozent davon behalten. Das soll künftig bei Einkünften bis zu 1.000 Euro gelten. Wer zwischen 1.000 und 1.200 Euro einnimmt, muss wie bisher auch 90 Prozent des Lohns auf das Arbeitslosengeld II anrechnen lassen. Der Freibetrag von 100 Euro bleibt bestehen.
Hundt beklagte falsche Anreize
Hundt prophezeite, die Bezieher von Hartz IV würden sich mit dem nahezu vollen Bezug staatlicher Grundsicherungsleistungen einrichten und mit wenig Arbeitseinsatz lediglich ein attraktives Zusatzeinkommen hinzu verdienen. Nach Auffassung Hundts wäre es nötig gewesen, die Anreize umzukehren und diejenigen zu belohnen, die sich darum bemühen, durch eine vollzeitnahe Erwerbsarbeit die Abhängigkeit von staatlichen Leistungen zu überwinden.
Friedrich verteidigte den Kompromiss. Die Koalition habe sich auf die Brückenfunktion von der geringfügigen Beschäftigung in eine normale Vollzeitbeschäftigung konzentriert. Wer sich einem Vollzeitgehalt nähere, solle mehr als bisher von seinem Zuverdienst behalten dürfen.
DGB-Chef Michael Sommer sprach von einem „Minischritt“. Zwar sei es möglich, dass diese Anhebung einzelnen Menschen helfe. Er betonte aber: „Im Vordergrund muss doch stehen, Arbeit zu schaffen.“ Es gebe 1,4 Millionen Menschen in Deutschland, die entweder zu Hartz IV hinzuverdienten oder ihre Löhne mit Hartz IV aufstockten, „im Prinzip 1,4 Millionen Menschen, die arbeiten wollen, ganz offensichtlich, die aber nicht die ausreichende Arbeit finden, um sich davon ernähren zu können.“
Seehofer fordert Sanktionen für arbeitsunwillige Hartz-IV-Empfänger
Unterdessen forderte CSU-Chef Seehofer eine schärfere Gangart in der Sozialpolitik. „Wer ein Arbeitsplatzangebot oder eine notwendige Qualifizierung ablehnt, dem müssen die Sozialleistungen gekürzt oder - in Wiederholungsfällen - komplett gestrichen werden. Da haben wir in Deutschland noch nicht die letzte Tapferkeit entwickelt“.
Zugleich verteidigte er die geplante Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um fünf Euro. Der Staat dürfe sich nicht nach denen richten, die könnten, aber nicht wollten. Die beste Hartz-IV-Erhöhung sei ein Arbeitsplatz, und in den meisten Regionen Bayerns gebe es schon jetzt Vollbeschäftigung. Es müsse darum gehen, Menschen zu aktivieren und nicht zu alimentieren. „Wir reden in Deutschland zu viel von denen, die vom Staat leben und zu wenig von denen, die den Staat finanzieren“, monierte er.
Sellering mahnt mehr Transparenz an
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) forderte mehr Transparenz bei den Leistungen für Langzeitarbeitslose. „Wir brauchen nicht unbedingt höhere Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger, sondern nachvollziehbare Berechnungen, wie hoch der Bedarf tatsächlich ist““, sagte Sellering. Man könne das Existenzminimum nicht willkürlich in Hinterzimmerrunden festlegen. Der SPD-Politiker nannte Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als eine Bedingung für die Zustimmung seines Landes zur Hartz-IV-Reform im Bundesrat. „Die Kanzlerin hat vor der letzten Bundesratssitzung mit den Ministerpräsidenten der Union über dieses Thema beraten“, sagte Sellering. „Frau Merkel sollte auch mit den SPD-Ministerpräsidenten sprechen.“