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Die NRW-Ministerpräsidentin wirft Berlin einen Schlingerkurs beim Steinkohle-Ausstieg vor. Wird es doch noch betriebsbedingte Kündigungen geben? Das Land verhandelt jetzt direkt mit Brüssel.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) fordert im Konflikt um einen früheren Ausstieg aus der Steinkohle ein klares Eintreten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Interessen von NRW. „Frau Merkel steht im Wort, dass das Steinkohle-Finanzierungsgesetz gilt“, sagte Kraft im WAZ-Interview. „Es steht die Verlässlichkeit der Politik auf dem Spiel.“ Gleichzeitig warf sie der Bundesregierung vor, sie verfolge gegenüber der EU im Kohle-Streit keine einheitliche Linie.

Düsseldorf will den Sockelbergbau

Während der Bund und die Kohle-Länder ein sozialverträgliches Auslaufen staatlicher Steinkohle-Hilfen für das Jahr 2018 vereinbart haben, will die EU bereits 2014 aussteigen. Kraft kritisierte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der ebenfalls ein früheres Ende anstrebe. „Leider spricht Berlin nicht mit einer Zunge“, sagte sie, „das schwächt unsere Position in Brüssel.“

Für die Landesregierung ver­handelte am Donnerstag Europaministerin Angelica Schwall-Düren (SPD) in Brüssel mit Vertretern der EU-Kommission. Sie warnte vor drohenden betriebsbedingten Kündigungen für mehrere tausend Bergleute. Kraft nannte die „Revisionsklausel“, die einen Sockelbergbau nach 2018 er­möglichen könnte, unverzichtbar. Damit könne NRW weltweit seine Spitzenposition in der Bergbau-Zulieferindustrie halten und Sicherheit in der Energieversorgung „ein Stück weit garantieren“.

Schulden für die Kinderförderung

Kraft schlug außerdem den Verzicht auf Kindergeld-Erhöhungen „für einen längeren Zeitraum“ vor, um mit dem Geld „Strukturen“ zu finanzieren. „Wir brauchen kein Bildungspäckchen, sondern ei­nen Pakt für Bildungschancen und gegen Kinderarmut für alle Kinder“, forderte sie. Da­zu sollten Bund, Länder und Städte ein „Grundangebot“ ver­einbaren: kostenlose Kitas mit Sprachförderung, an Schulen mehr Ganztagsplätze und kleinere Klassen sowie kostenloses Mittagessen für alle Kinder, außerdem Zugang zu Sport und Kultur. Kraft: „Teilhabe muss für alle möglich sein.“

Sie verteidigte ihre Politik der sozialen Prävention, auch wenn NRW zusätzliche Milliarden-Schulden mache. „Ich sehe keinen anderen Weg“, sagte sie, „die Zitrone ist ziemlich ausgepresst, auch in den Kommunen.“