Berlin. .
Für Roland Koch war klar: jetzt oder nie. In gut drei Monaten, die Idee hatte er im Juni, schrieb Hessens früherer Ministerpräsident auf, was er unter „konservativ“ versteht. So heißt das Buch, das er nach seiner Ansicht nicht viel früher und auch nicht viel später hätte schreiben können, ohne die Frage zu provozieren: Was will der CDU-Mann jetzt werden?
Die ist ihm gestern bei der Buchvorstellung prompt doch gestellt worden. „Ich habe mir gut überlegt, aus der Politik auszuscheiden, und ich werde diese Entscheidung auch nicht korrigieren.“ Dann ist ja gut.
Im August war der Politiker nach elf Jahren im Amt als Ministerpräsident in Hessen zurückgetreten. Da bei kündigte er an, er wolle in die Wirtschaft wechseln. Deshalb will Koch im November auch nicht mehr für das Amt des stellvertretenden CDU-Vorsitzenden kandidieren.
„Konservative sind heute nicht heimatlos, aber planlos. Ihnen fehlt ein intellektueller Überbau“, schreibt Koch. Nun die großen Linien – entlang Themen wie Bildung, Familie, Umwelt, Religion – aufzuzeigen, fand Angela Merkel „richtig und wichtig“. Sie hat Kochs Rezepte vorgestellt, bereitwillig und gut beraten. In Abwesenheit der CDU-Chefin hätte sich schnell eine andere Lesart etabliert: als Kritik am Zustand der Partei.
Trau Dich!
Die Konservativen grummeln. Merkel weiß es und geht darauf indirekt mit dem Satz ein, sie bräuchten „nicht mit schlechter Laune und gesenktem Haupt durch die Welt zu gehen.“ Trau Dich! Kochs Botschaft! Er selbst nennt sich einen konservativen Reformer. Der Zusatz Reformer ist eigentlich eine Distanzierung. Es ist schwer geworden, frank und frei, ohne Wenn und Aber zu sagen: Ich bin konservativ.
Koch will dazu beitragen, dass die demokratische Rechte eine Heimat in der politischen Mitte findet. Schreiben war für ihn nicht zuletzt ein Prozess der Selbstvergewisserung, „weil ich in meiner Arbeit oft als Mangel verspürt habe“, erzählt Koch, „dass ich zu kurzatmig und tagesbezogen auf die Frage nach dem konservativen Kern geantwortet habe.“ Das führt uns zum Interessengegensatz von Medien und Politik. Journalisten wollen Fakten erfahren, sie sind auf Personen und Prozesse neugierig und führen seltener die theoretische Diskussion.
Drei Wurzeln der CDU
Merkel gab nicht zu erkennen, wo man sie verorten soll. Sie referierte über die drei Wurzeln der CDU: die konservative, die christlich-soziale, die liberale. Wohl bekannte sie Sympathien zu konservativen Tugenden wie Verbindlichkeit, Gelassenheit. „In der Ruhe liegt die Kraft“, sei einer ihrer Lieblingssprüche.
Die Kanzlerin hat 20 Minuten lang geredet, ausführlich und gut sortiert; jedenfalls dieses Buch hat sie gelesen. Spannend fand sie die Passagen zu Religion. „Da möchte man weiterlesen, aber da hat das Buch schon aufgehört.“ Unverhohlen ist die Kritik beim Thema Umwelt. Sie wäre froh, „wenn die, die sich als konservativ bezeichnen, sich so um die Schöpfung und ihren Erhalt kümmern würden, dass es auch für die ganze Partei glaubwürdig ist“.
„Die Konservativen leben noch.“
220 Seiten hat Koch über das Konservative geschrieben. Als letzten Mohikaner sieht er sich nicht und verweist auf Volker Bouffier, Stefan Mappus und David McAllister. Alle drei Ministerpräsidenten liefen nicht schreiend davon, wenn man sie nach der konservativen Haltung befrage. Im Vorwort schreibt Koch, „die Konservativen leben noch. Sie wissen nur nicht mehr genau, warum.“ Vielleicht wissen sie es demnächst. Lesen bildet.
Roland Koch: Konservativ; Herder-Verlag, 17,95 Euro