Die Europäische Union vergeudet Milliardenbeträge in der Rüstungsindustrie, weil jedes Land auf eigene Rechnung arbeitet. Damit muss Schluss sein, fordert EU-Industriekommissar Günter Verheugen in einem Gastbeitrag für "DerWesten".
Die Europäische Kommission legt heute zwei Initiativen vor, mit denen sie politisches Neuland betritt – den europäischen Markt für Rüstungsgüter. Dieser Bereich ist für den Gemeinsamen Markt bis heute verschlossen. Das verursacht unnötige Kosten, behindert die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Rüstungsindustrie und schwächt die Wirksamkeit der Rüstungsausgaben in allen Mitgliedsländern und damit der europäischen Verteidigung.
Es geht bei den Vorschlägen der Kommission nicht nur um wirtschaftliche Überlegungen. Dahinter steht vielmehr der Wille, die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik einen großen Schritt vorwärts zu bringen. Das entspricht den Wünschen der Bürgerinnen und Bürger Europas. Sie erwarten von der Europäischen Union, dass sie zu ihrer Sicherheit beiträgt. Denn die Welt von heute ist nicht sicherer geworden. Die Bedrohungen des Kalten Krieges sind gewichen, neue sind an ihre Stelle getreten. Truppen aus Ländern der Europäischen Union sind in den Krisengebieten der Welt mit der schweren Aufgabe betraut, Frieden zu schaffen, zu erhalten und zu sichern.
In der EU gibt es keine gemeinsamen Streitkräfte, kein gemeinsames Verteidigungsbudget und keine gemeinsame Rüstungspolitik. Dabei geben die EU-Mitgliedstaaten im Jahr immerhin ca. 200 Milliarden Euro für Verteidigungszwecke aus. Das ist zwar ungefähr die Hälfte des amerikanischen Verteidigungshaushalts, aber leider ist der Gegenwert nicht entsprechend. Einer der Gründe dafür ist, dass der Markt für Rüstungsgüter allein den nationalen Regeln unterliegt. Im Ergebnis führt das zu Doppelentwicklungen und damit erhöhten Entwicklungsaufwendungen, zu Stückzahlen, die zu gering sind, um die Kostenvorteile gemeinsamer Projekte nutzen zu können, und es führt zu einer Struktur der industriellen und technologischen Basis der europäischen Rüstungsindustrie, die auf Dauer international nicht wettbewerbsfähig sein wird. Und damit stünde dann die strategische Unabhängigkeit Europas auf dem Spiel. So lange wir Streitkräfte brauchen, brauchen wir auch eine leistungsfähige Rüstungsindustrie. Andernfalls werden wir abhängig von anderen Teilen der Welt und verlieren den Anschluss an moderne Entwicklungen.
Die Vorschläge der Kommission zielen auf mehr Wettbewerb und Transparenz bei Beschaffungsmaßnahmen und sie erleichtern den Handel mit Rüstungsgütern innerhalb der EU. Die bestehenden nationalen Zuständigkeiten für den Export von Rüstungsgütern in Länder außerhalb der EU bleiben unangetastet.
Europas Sicherheit hängt auch von seiner Fähigkeit ab, sich verteidigen zu können und Konflikte eindämmen oder beenden zu können, die auch für Europa zur Gefahr werden könnten. Es wird kaum möglich sein, die Menschen in Europa davon zu überzeugen, dass mehr Geld für Verteidigungszwecke ausgegeben werden sollte. Dann aber ist es notwendig, die Haushaltsmittel, die heute zur Verfügung stehen, so sparsam und effektiv wie möglich zu verwenden. Das will die Kommission mit ihren Vorschlägen erreichen.
Unter Federführung von Günter Verheugen, Industriekommissar und Vize-Präsident der EU-Kommission, stellt die Brüsseler EU-Kommission heute ihr Konzept für die Liberalisierung des EU-Rüstungsmarkts vor.
Hintergrund: Wie zu Kaisers Zeiten