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Darf Hartz IV stärker steigen als die Renten? Diese Frage birgt reichlich sozialen Sprengstoff und sie spaltet die Koalition, seit Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ihre Eckpunkte für die Hartz-IV-Reform vorgelegt hat.

Danach soll die Grundsicherung für Langzeitarbeitslose künftig mit den Preisen steigen. Die jährliche Anpassung soll sich zu 70 Prozent an der Inflation orientieren und zu 30 Prozent an der Lohnentwicklung. Damit dürften die Hartz-IV-Sätze deutlich stärker steigen als die Renten, die an die Löhne gekoppelt und mit einigen Abschlägen versehen sind.

FDP-Chef Guido Westerwelle und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erteilten von der Leyens Entwurf klare Absagen. „40 Euro mehr für Hartz-IV-Empfänger, aber Nullrunden für Rentner – das ist nicht gerecht. Das kann und wird so nicht kommen“, zitiert die „Bild“ Westerwelle.

Rentner rutschen unter das Existenzminimum

Was dabei übersehen wird: Die Ministerin muss den Willen des Bundesverfassungs­gerichts erfüllen. Das hatte die Koppelung von Hartz IV an die Renten für verfassungswidrig erklärt. Die simple Begründung: Mit Hartz IV sichert der Staat das Existenzminimum. Steigen die Preise, steigt das Existenzminimum. Denn wer von der Grundsicherung lebt, steckt jeden Euro in den ­Konsum.

Dagegen sind Renten eine Versicherungsleistung. Wer so wenig Rente bezieht, dass er selbst unter das Existenzminimum fällt, erhält Grundsicherung im Alter – und damit künftig auch einen Inflationsausgleich.

Das tut der Diskussion keinen Abbruch. Dass die Ministerin aus der eigenen Koalition gerade jetzt unter Druck gesetzt wird, hat seinen Grund: Noch stehen die neuen Regelsätze nicht fest. Wenn sie künftig automatisch spürbar steigen, hat die Politik jetzt zum letzten Mal Einfluss auf ihre Höhe. Die FDP dringt darauf, dass es durch die Neuberechnung nicht teurer wird.

Neue Kosten für die Kommunen

Der größte Sozialverband VdK sieht die Gefahr, dass Rentner und Arbeitslose gegeneinander ausgespielt werden. „Dass Hartz IV mit den Preisen steigt, ist ja richtig. Aber viele Rentner werden nicht verstehen, dass sie weniger bekommen“, sagt VdK-Chefin Ulrike Mascher.

Würde Hartz IV stärker steigen als die Renten, entstünde ein weiteres Problem: Deutlich mehr Rentner würden in die Grundsicherung rutschen. Derzeit erhalten 1,7 Millionen Rentner zwischen 600 und 750 Euro im Monat. Damit liegen sie nur knapp über der bei rund 600 Euro liegenden Grundsicherung im Alter. In den kommenden Jahren würden sie unter diese Grenze fallen und müssten beim Sozialamt Hilfe beantragen. Das wiederum würde neue Löcher in die Kassen der Städte reißen.