Berlin. .

Droht Deutschland kurz nach der Sarrazin-Aufregung eine starke rechtsextreme Partei, entstehend aus der beschlossenen Verschmelzung von NPD und DVU?

Nachdem die 1971 vom Verleger Gerhard Frey gegründete und organisatorisch zersplitterte DVU am Wochenende nach Informationen dieser Zeitung der Fusion im Prinzip zugestimmt hat – die NPD gab bereits im August prinzipiell grünes Licht –, halten Verfassungsschützer an ihrer früheren Lagebeurteilung fest. Die wirklichen Gefahren im rechten Spektrum, hatte Verfassungsschutz-Chef Heinz Fromm im Sommer gesagt, bestünden in rechtspopulistischen Bewegungen und den zunehmend gewalttätigen autonomen Nationalisten. „An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert“, hieß es jetzt auf Anfrage in Sicherheitskreisen.

Noch im Sommer hatte der Inlands-Geheimdienst nicht mit einem Zusammengehen von NPD (circa 7000 Mitglieder) und DVU (4800) gerechnet. „Innerhalb der NPD besteht nicht der Wille, der DVU auf Augenhöhe zu begegnen“, sagte der Abteilungsleiter für Rechts- und Linksextremismus seinerzeit vor Journalisten. Zuvor hatte die DVU ihrem Vorsitzenden Matthias Faust vorgeworfen, die Fusion mit der NPD ohne Prokura des Vorstands eigenmächtig auf den Weg gebracht zu haben. Konsequenz: Faust wurde aus der Partei geworfen. Noch ist die Entscheidung nicht gerichtsfest. Als neuen Namen für das Konstrukt NPD/DVU hatte sich der Hamburger schon ein neues Etikett ausgedacht: „Die soziale Heimatpartei“.

Die NPD hält davon nichts, dagegen von Geld eine ganze Menge. Weil Verleger Frey auf die Rückzahlung von rund einer Million Euro durch die DVU verzichten will, so bestätigen Sicherheitsbehörden, und die selbst dramatisch finanzschwache NPD somit keine Schulden erben würde, habe die Fusionsidee „neuen Schwung bekommen“.

Die Lage der beiden Rechtsaußen-Parteien charakterisieren Verfassungsschützer so: Die NPD sei in den westdeutschen Bundesländern „hinreichend diskreditiert“. Wie stark die Mobilisierungsdefizite seien, zeige sich etwa in NRW. Bei den Landtagswahlen in diesem Jahr kam die NPD dort auf nicht mehr als 0,7 Prozent der Zweitstimmen – in absoluten Zahlen: 55 831. Nur in 30 von 128 Wahlkreisen erzielte sie mehr als ein Prozent. Im Vergleich: In 85 NRW-Wahlkreisen schnitt die Partei sogar schlechter ab als die rechtspopulistische Sammelbewegung „pro NRW“. Aus Sicht von Verfassungsschützern ein „desolates, die geringen Erwartungen noch unterschreitendes Ergebnis“.

Die DVU, deren Chef lange der finanzstarke Münchener Verleger Frey war (Nationalzeitung), stand laut Verfassungsschutz zuletzt mit einem Bein am Abgrund. Seit 2009 in keinem Landtag mehr vertreten, kam sie bei der jüngsten Bundestagswahl nur noch auf 0,1 Prozent der Stimmen. Eine überalterte Mitgliedschaft, die Nachfolger Freys ohne klaren Kurs und ausreichende Autorität, einzelne Landesverbände auf Autonomiekurs plus klamme Kassen – „die DVU strebt ihrem Ende zu“, sagt ein Experte der Geheimdienste.

Bis Ende des Jahres sollen nun Urabstimmungen und Parteitage bei NPD und DVU die Parteiverschmelzung offiziell machen. Bei den Landtagswahlen im nächsten Jahr, gesondert Bremen und Sachsen-Anhalt, will die neue, alte Rechte zum ersten Mal ins Rennen gehen.