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Ein Passant hat der Pistole „in den Lauf geschaut“ und dem Tod ins Auge: Ernst Barth sah die Frau um die Ecke rennen, aus der Markus-Pflüger-Straße zum Eingang der Elisabethen-Klinik – da streifte schon eine Patrone ­Kaliber 22 seine Kopfhaut.

Über 100 leere Hülsen fand die Polizei später auf dem Flur der Gynäkologischen Abteilung des Krankenhauses, das sie in Lörrach liebevoll „Eli“ nennen, und 300 weitere ­Patronen bei der Frau.

„Wild um sich geschossen“ habe sie, sagt der Einsatzleiter am Montag, und da weiß er längst: Die 41-Jährige hat noch mehr getan als das. Denn in der Kanzlei der Rechtsanwältin in derselben Straße wurden zwei Leichen gefunden. Die ihres Mannes, von dem sie seit drei Monaten getrennt lebte. Und die des gemeinsamen Kindes, fünf Jahre alt. Der Junge starb, das ergab die Obduktion, an „stumpfer Gewalteinwirkung“. Der 44-jährige ­gelernte Schreiner offenbar an Schussverletzungen.

Das Haus ist unbewohnbar

In dem Büro, in dem es auch eine Schlafgelegenheit gab, hatte das, was die Polizei jetzt „Amoklauf“ nennt, am Sonntagnachmittag begonnen: ­Eine Explosion setzte das Haus Nr. 22 in Brand, die Wohnung im ersten Geschoss brannte völlig aus. Laut Staatsanwaltschaft hat die Frau Brandbeschleuniger verteilt und von der Eingangstür aus entzündet. Noch sind auch die anderen Etagen nicht bewohnbar, die Stadt brachte die Mieter im Hotel unter.

Noch während die ersten Feuerwehrleute anrückten, knallten am nahe gelegenen Krankenhaus Schüsse. Zwei Passanten wurden leicht verletzt, ein Polizist erlitt später einen glatten Beindurchschuss. Die ersten Kollegen, die in der Gynäkologie eintrafen, „sind dort sofort beschossen worden“, so die Polizei. Offenbar zielte die 41-Jährige aus der Nische eines Arbeitszimmers unter anderem zehnmal auf die Tür eines Krankenzimmers, hinter dem sich sieben Personen befanden. Auf Rufe der Polizisten habe die Schützin nicht reagiert, darauf hätten diese das Feuer erwidert und sie erschossen.

Dank an die Einsatzkräfte

„Umsichtiges Vorgehen“, lobt der Einsatzleiter, sicher, die Kollegen hätten „einer Vielzahl von Menschen das Leben gerettet“. Auch Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech dankt den Einsatzkräften. Einem Krankenpfleger allerdings konnten sie nicht mehr helfen: Der Vater von zwei Kindern lag bereits tödlich verletzt auf dem ­Stationsflur, als Hilfe eintraf. Derzeit gehen die Ermittler davon aus, dass er zufällig den Weg der Täterin kreuzte. Seine Leiche weist neben Schuss- auch Stichverletzungen auf, die ge­naue Todesursache ist unklar. Bei der mutmaßlichen Täterin wurde auch eine Art Fahrtenmesser gefunden.

„Psychisch angespannt“

Die Kleinkaliberwaffe war legal; die Rechtsanwältin, die sich erst vor einem knappen Jahr selbstständig gemacht hatte, war offenbar Mitglied in einem Schützenverein und hatte eine Waffenbesitzkarte. In Lörrach war die gebürtige Pfälzerin nicht mehr gemeldet; hier wohnte nur noch ihr Ehemann, der auch das Kind betreute. Am Sonntag soll der Junge bei der Mutter zu ­Besuch gewesen sein.

Mutmaßungen über einen Sorgerechtsstreit kann die Staatsanwaltschaft bislang nicht bestätigen, auch für eine psychiatrische Erkrankung der Frau gebe es keine Hin­weise. Wohl aber habe sie zuletzt „psychisch angespannt“ ge­wirkt. Nachbarn und Bekannte berichteten, die 41-Jährige sei „schwierig“ und „labil“ ge­wesen und sichtlich ungepflegt aufgetreten.

Fragen nach dem Motiv

Auf die Frage, warum sie mit der Waffe das „Eli“ stürmte, haben die Ermittler keine Antwort: „Wir wissen es nicht.“ Eine Verbindung allerdings ha­ben sie gefunden: Just auf der Station, auf der die Frau nun starb, hatte sie 2004 eine Fehlgeburt erlitten. Kurz darauf muss sie allerdings ­wieder schwanger geworden sein – mit dem Jungen, der nun ebenfalls tot ist.