Berlin. .

Bis zu 100.000 Menschen haben gegen die Atompolitik der Bundesregierung demonstriert. Am Rande bekräftigten Spitzenpolitiker von SPD und Grünen ihre Klagebereitschaft gegen längere Laufzeiten.

Bis zu 100.000 Menschen haben, nach Angaben der Veranstalter, am Samstag gegen die Atompolitik der Bundesregierung demonstriert. Zu einer Großkundgebung in Berlin gegen die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre hatte das Organisationsbündnis „Atomkraft: Schluss jetzt!“ aufgerufen. Die Veranstalter sprachen von 100.000 Teilnehmern, die Polizei ging von mehreren Zehntausend aus. Auch im saarländischen Perl demonstrierten Atomkraftgegner. Knapp 1.000 Menschen gingen für den Ausstieg aus der Atomindustrie und die Abschaltung des französischen Kernkraftwerks Cattenom auf die Straße.

Die Veranstalter der Berliner Demonstration zeigten sich zufrieden. „Es ist eine schöne, große, bunte und lustige Demonstration. Es sind unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppen da, so wie wir uns das vorgestellt haben“, sagte Uwe Hiksch von den Naturfreunden Deutschland der Nachrichtenagentur dapd. Gemeinsam erklärten die Veranstalter: „Der heutige unerwartet breite Protest zehntausender Menschen zeigt: Die Bevölkerung duldet keine Klientelpolitik für Atomkonzerne auf Kosten ihrer Sicherheit.“ Nach dieser Demonstration werde der schwarz-gelben Regierungskoalition klar geworden sein, „dass sie sich mit ihrem Atomdeal gehörig die Finger verbrannt hat“. Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen.

Röttgen verteidigt Energiekonzept

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) verteidigte unterdessen auf einem Treffen von CSU-Umweltexperten das Energiekonzept der Bundesregierung, monierte jedoch dessen Kommunikation durch die Bundesregierung. „Ich glaube, dass wir noch viel stärker deutlich machen müssen, dass die Frage der Kernenergie zehn Prozent ausmacht und sich 90 Prozent unseres Konzeptes mit erneuerbaren Energien beschäftigen“, sagte er.

Zugleich zeigte sich Röttgen überzeugt, dass die geplanten Verlängerungen der Laufzeiten nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. „Im Sommer haben sich die Verfassungsressorts Innen und Justiz darauf festgelegt, dass eine moderate Laufzeitverlängerung nicht der Zustimmung des Bundesrats bedürfe. Es ist völlig selbstverständlich, dass diese Rechtsauffassung der Bundesregierung gilt“, betonte er.

Auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ist der Ansicht, dass der Bundesrat an der Entscheidung über längere Laufzeiten nicht beteiligt werden muss. „Das Atomrecht liegt in der Zuständigkeit des Bundes. Die Länder haben nur eine Auftragsverwaltung für die Atomkraftwerke, sie sind nicht für das Atomrecht zuständig“, argumentierte Brüderle. Einer Klage sehe er daher gelassen entgegen.

SPD sieht Chancen vor dem Bundesverfassungsgericht

Am Rande der Demonstration bekräftigten die Vorsitzenden von SPD und Grünen, Sigmar Gabriel und Claudia Roth, ihre Absicht, gegen die Laufzeitverlängerungen vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. „Wir werden natürlich klagen. Die Umgehung des Bundestages und des Bundesrates ist mit Sicherheit verfassungswidrig“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Roth sagte: „Ich sehe ganz große Chancen, die Laufzeitverlängerungen zu stoppen, weil das, was diese Bundesregierung versucht, ist überhaupt nicht zu vereinbaren mit der Verantwortung jeder Bundesregierung, für die Sicherheit der Menschen in diesem Land zu sorgen.“

Beide Politiker rügten, dass weder das Parlament, noch die Öffentlichkeit an der Entscheidung der Bundesregierung beteiligt wurden, die Laufzeiten zu verlängern. Gabriel sagte, die Geheimabsprachen begünstigten die Energiekonzerne einseitig und seien ein „Konjunkturprogramm für Politikverdrossenheit.“ Roth übte auch deutliche Kritik an der Wiederaufnahme der Erkundung des Salzstocks Gorleben, die für Anfang Oktober geplant ist. „Die Festlegung auf Gorleben ist eine zynische Provokation“, sagte sie. (dapd)