Karlsruhe. .

Kinder müssen für ihre pflegebedürftigen Eltern auch dann aufkommen, wenn sie sich mit ihnen überworfen und seit Jahren keinen Kontakt haben. Das hat am Mittwoch der Bundesgerichtshof entschieden.

Erwachsene Kinder müssen nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) in der Regel auch dann Unterhalt für ihre pflegebedürftigen Eltern zahlen, wenn sie mit diesen keinen Kontakt mehr haben.

Es sei nicht grob unbillig, die Kinder bei einem zerrütteten Verhältnis zu den Eltern an den Pflegeheimkosten zu beteiligen, hieß es in der am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung des Gerichts. Die Sozialämter können von den erwachsenen Kindern daher auch in einem solchen Fall grundsätzlich eine Kostenübernahme einfordern. Eine Ausnahme ließen die Richter nur dann gelten, wenn der Staat Mitschuld an der Zerrüttung hat.

Im konkreten Fall gab der BGH-Familiensenat dem Sozialamt Bottrop recht, das von einem 49-Jährigen 701 Euro monatlich für das Pflegeheim seiner schizophrenen Mutter gefordert hatte. (Az.: XII ZR 148/09)

Der 1961 geborene Sohn hatte die Zahlung mit dem Argument geweigert, als Kind sehr unter der Schizophrenie seiner mittlerweile verstorbenen Mutter gelitten und spätestens seit 1977 deshalb keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt zu haben. Die Forderung des Sozialamtes sei grob unbillig. Eine normale Mutter-Kind-Beziehung habe sich aufgrund des krankheitsbedingten Verhaltens seiner Mutter, die unter Wahnvorstellungen gelitten habe, und den häufigen Klinikaufenthalten nicht entwickeln können. Die Frau, die ab 2005 in einem Pflegeheim untergebracht gewesen war, war schon seit 1969 häufig stationär in psychiatrischen Kliniken gewesen.

BGH: Krankheit der Mutter ist schicksalsbedingt

Die Krankheit der Mutter und das daraus resultierende schlechte Verhältnis zu ihrem Sohn sei jedoch eine schicksalhaft bedingte Entwicklung, sagte die Vorsitzende Richterin des BGH-Familiensenats am Mittwochnachmittag zur Begründung des Urteils. Dies rechtfertige es nicht, die Unterhaltskosten dem Staat aufzubürden. Vielmehr müssten diese im Rahmen der innerfamiliären Solidarität von den Familienmitgliedern getragen werden. Die Mutter sei schließlich nicht schuld an ihren Pflichtverletzungen.

Etwas anderes ließ der Senat nur gelten, wenn der Familienstreit auch öffentliche Belange beinhaltet. So etwa, wenn der Vater psychisch krank aus dem Zweiten Weltkrieg heimkehrt. In einem solchen, vom BGH 2004 entschiedenen Fall, sei der Staat in der Pflicht und das Sozialamt müsse die Kosten alleine übernehmen, sagte Hahne. Kinder dürften nicht zwei Mal bestraft werden, indem sie mit einem psychisch kranken Vater, der schließlich für den Staat in den Krieg gezogen sei, aufwachsen und dann auch noch dessen Pflegeheimkosten übernehmen müssten. Es sei jedoch die Ausnahme, wenn die Sozialämter die Kosten voll übernehmen müssten, betonte die Richterin. (rtr)