Essen/London.

Am heutigen Donnerstag reist Benedikt XVI. nach England und Schottland. Es wird eine heikle Reise, denn die Bewohner der Insel gelten als das gottloseste Volk Europas.

Papst Benedikt hat in den vergangenen Jahren etliche heikle Auslandsreisen absolviert. Etwa in die Türkei, gleich nach seiner missglückten Regensburger Rede; oder nach Israel, noch während die Kontroverse über die Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Richard Williamson und die Karfreitagsfürbitte für die Juden weltweit für Aufregung sorgten. Doch sein viertägiger Besuch in England und Schottland, zu dem er am morgigen Donnerstag aufbricht, konfrontiert ihn mit einer Besonderheit: Sie konfrontiert ihn mit der Welt des militanten Atheismus. Der „Stellvertreter Christi” auf Erden könnte einen schweren Stand haben in einem Land, das wohl zu den gottlosesten in Europa gehört.

„Es gibt wahrscheinlich keinen Gott“

Kein neues Gefühl im beiderseitigen Verhältnis. Denn es ist von Zorn geprägt, einem 500 Jahre alten Zorn. Aus Ärger darüber, dass Papst Clemens VII. seine Ehe mit Katharina von Aragon nicht auflöste, sagte sich der englische König Heinrich VIII. 1534 von Rom los. Er setzte sich selbst als Oberhaupt der Kirche von England ein.

Die Distanz zu Rom teilen auch heute noch viele Briten. In London etwa schickten sie Busse mit der Aufschrift durch die Straßen: „Es gibt wahrscheinlich keinen Gott. Also mach dir keine Sorgen und genieße dein Leben.”

Beziehungen auf dem Tiefpunkt

Doch dies könnten Papstanhänger – rund sechs Millionen Briten sind katholisch, ein Zehntel der Bevölkerung – noch als atmosphärische Störungen abtun. Schwerer wiegen ernste kirchliche Probleme. Die Beziehungen zwischen Rom und der anglikanischen Kirche befinden sich auf einem Tiefpunkt. Rom empfand die Weihe von Frauen zu Priesterinnen und Bischöfinnen sowie die Weihe eines erklärten Homosexuellen zum Bischof als herbe Rückschläge. Die Anglikaner verließen damit das gemeinsame Fundament, hieß es verständnislos aus Rom.

Im Gegenzug sorgte der Vatikan dann für Irritationen bei der anglikanischen Kirche. Er erleichterte konservativen Anglikanern, denen dieser liberale Kurs zu weit ging, den Übertritt zur katholischen Kirche. Geistliche, die konvertieren, dürfen im Einzelfall sogar ihre Ehefrauen behalten. Nicht wenige Anglikaner empfanden das als plumpen Abwerbungs-Versuch. Benedikt will in England zudem einen berühmten Konvertiten, der 1845 zur katholischen Kirche übertrat, selig sprechen, John Henry Newman.

Den meisten Briten ist der Papst gleichgültig

All das drückt die Stimmung für den Papst-Besuch. Dabei sollte er die alten Wunden heilen. Denn seit 1534 hat es keine offizielle Papstvisite gegeben. Als Johannes Paul II. 1982 das Königreich besuchte, handelte es sich um eine Pastoralreise. Benedikt kommt als Staatsgast auf Einladung der Regierung. Doch in einer Um­frage bekundeten jüngst 63 Prozent der Briten, dass ihnen der Besuch ziemlich gleichgültig sei.

Dass sie trotzdem dafür zahlen müssen, ärgert sie. Schätzungen zufolge könnte die Reise mehr als 24 Millionen Euro verschlingen. Einen Teil da­von trägt die Kirche. Rund 15 Millionen Euro aber muss der Steuerzahler aufbringen. Und ein Punkt habe selbst treue Katholiken, die sich eigentlich auf den Papst freuten, vergrätzt, heißt es. Sie sollen rund sechs Euro für ein Ticket zur Papst-Messe bezahlen.

„Papst festnehmen“

Doch ihr Unmut ist nichts im Vergleich zu dem, was der Londoner Philosoph Anthony Grayling vorhat. Er will Benedikt festnehmen. Weil der Vatikan den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Geistliche vertuscht habe, begründete Grayling seinen Plan. Das britische Recht sehe diese Möglichkeit für Bürger vor.

Doch so ganz sicher ist sich der Philosoph, der so ganz nebenbei auch den Vatikan entstaatlichen will, nicht, seinen Plan ausführen zu können. Schließlich reist Benedikt XVI. als Staatsgast, und ein Treffen zwischen beiden dürfte eher unwahrscheinlich sein.

Aber auch so wird der Papst im Königreich eine Begegnung der ungewohnten Art erleben. Es wird eine mit dem prallen Leben eines äußerst säkularen Landes sein.