Wer gehofft hatte, mit dem Atomgipfel der Regierung sei fürs erste zumindest etwas Entspannung eingekehrt im Streit um die Energiepolitik im Allgemeinen und die Atomkraft im Speziellen, der hat sich böse geirrt. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, geht das Gezerre nun erst richtig los. Alte Gräben reißen neu auf.

Etwa zwischen Parteien. Schwarz-Grün, noch vor Monaten für viele im bürgerlichen Lager ein Zukunftsmodell (auch für NRW), scheint sich erst einmal erledigt zu haben. Die Grünen-Spitze stellt gar die bestehenden Bündnisse in Hamburg und Saarbrücken in Frage. Gleichzeitig stößt der Flirt mit den Grünen im Unionslager auf zunehmende Ablehnung. CDU-Mann Herbert Reul stänkert aus Brüssel gegen Parteifreund und Umweltminister Norbert Röttgen, der gern Parteichef in NRW werden möchte: Röttgen liege falsch, wenn er glaube, NRW könne „durch jemanden repräsentiert werden, der mit Greenpeace-Themen versucht, Politik zu machen“. Da liegen die Nerven blank.

Auch die Anti-Atom-Bewegung ist neu erwacht. Die Entscheidung für längere Laufzeiten der Atommeiler und für eine Wiederaufnahme der Arbeiten am geplanten Atommüll-Endlager Gorleben dürfte demnächst zehntausendfachen Protest auf die Straße bringen. Der Name Gorleben, der wie kein zweiter für den Widerstand der Anti-Kernkraft-Bewegung steht, mobilisiert nicht nur im Wendland.

Damit nicht genug. Nach den schwarz-gelben Atombeschlüssen vom Wochenende bringen sich auch die Kommunen gegen die Regierung Merkel in Stellung. Die Städte, ohnehin ständig am Rande der Pleite balancierend, fürchten Steuerausfälle und Nachteile für ihre Stadtwerke, die oft die einzigen verbliebenen Aktivposten in den kommunalen Haushalten sind.

Die Kanzlerin sieht bei allem nicht gut aus. Ihr CDU-Umweltminister, der eine kürzere Laufzeitenverlängerung favorisierte, ist geschwächt. Ihr Versuch, die Verlängerung am Bundesrat vorbei zu bewerkstelligen, wird ihr als Trickserei ausgelegt, zudem droht eine Klage vor dem Verfassungsgericht. Ausgang höchst ungewiss. Und dass die großen Energie-Konzerne offenbar nur einen kleineren Teil ihrer zusätzlichen Gewinne, die die längeren Laufzeiten bringen, abgeben müssen, wird ihr als Einknicken vor der Atomlobby ausgelegt.

Alles in allem hat Angela Merkel für ihren Atomkompromiss einen hohen politischen Preis gezahlt. Ob sich der Kraftakt auszahlt, ist noch lange nicht entschieden.