Berlin. .

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnt vor einem massiven Mangel an Hochschulabsolventen in Deutschland. Nirgendwo ist die Neigung zu studieren geringer - und es fehlt an Investitionen.

Deutschland steuert auf einen massiven Fachkräftemangel zu. „Dabei geht es nicht nur um mehr Geld, sondern auch um die entsprechen Anreize“ für junge Menschen, ein Hochschulstudium zu beginnen, sagte der Leiter des OECD-Büros in Berlin, Heino von Meyer, am Dienstag bei der Vorstellung einer Studie. Nach der Zusammenstellung „Bildung auf einen Blick“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) habe Deutschland viel zu wenig Studienanfänger. „Mit 40 Prozent werden Sie es nicht schaffen, den Bestand an Hochqualifizierten zu halten“, betonte von Meyer. Trotz einer leichten Zunahme bei Studienanfängern und Absolventen bleibt Deutschland in der OECD nach der Türkei, Belgien und Mexiko das Land mit der geringsten Studienneigung. .

Lücken vor allem bei Naturwissenschaften

Vor allem in naturwissenschaftlichen, mathematischen und technischen Studienfächern sei die Lücke besonders groß. Um mehr Menschen an die Hochschulen zu bringen, schlägt die OECD vor, Kandidaten aus eher einkommensschwachen Familien gezielt über Kredite und Stipendien anzusprechen sowie Absolventen einer beruflichen Ausbildung den Zugang zu erleichtern. Die Bildungsausgaben in Deutschland kletterten in den vergangenen Jahren zwar. Mit 4,7 Prozent gemessen am Bruttoinlandprodukt lagen sie aber immer noch unter dem OECD-Durchschnitt und auf einem der letzten Plätze. Spitzenreiter sind USA und Dänemark.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hob hingegen die Erfolge in der Bildungspolitik hervor. So sei der Anteil der Studienanfänger in Deutschland von nur 26 Prozent im Jahr 1995 auf mittlerweile 43 Prozent angestiegen. Auch seien durch Maßnahmen wie den Hochschulpakt die Bildungsaufwendungen auf 10 Prozent des BIP gestiegen, wobei Deutschland eine andere Berechnungsgrundlage als die OECD verwende. Schavan hob hervor: „die Jugendarbeitslosigkeit ist in Deutschland halb so hoch wie im internationalen Schnitt.“ Daher sehe sie die „berufliche Bildung als Flaggschiff im deutschen Bildungssystem“, betonte Schavan.

Verbesserungsbedarf auch bei der beruflichen Bildung

Tatsächlich bestätigt die OECD dem deutschen System von Ausbildung und Berufsschule gute Leistungen. Doch auch hier gebe es Verbesserungsbedarf. „Über ein Drittel der Schulabgänger befinden sich in Übergangsmaßnahmen, dass sind endlose Warteschleifen, die den Staat viel kosten“, bemängelte die Leiterin der Studie zur beruflichen Bildung, Kathrin Höckel. Ferner seien die Anreize zu gering, nach der Berufsausbildung ein Studium anzuschließen. Zwar gebe es inzwischen in einzelnen Bundesländern Möglichkeiten, auch ohne Abitur zu studieren. Die geringe Resonanz zeige aber, dass es an geeigneten Anreizen wie Krediten und Beratung fehle. Besorgt zeigt sich die OECD auch über die Zahl der Risikoschüler, die nicht über ausreichend Grundkenntnisse wie Lesen, Schreiben und Rechnen verfügten. Deutschland „kann es sich nicht leisten“, ungebildete und unqualifizierte Arbeitskräfte zu haben, da es hierfür keinen Bedarf mehr gebe, sagte Höckel.

Erstmals kalkulierte die OECD auch den wirtschaftlichen Nutzen von Bildungsinvestitionen. Demnach hätten Bildungsausgaben volkswirtschaftlich eine Rendite von zwölf Prozent.

Die Studienreihe „Bildung auf einen Blick“ wird seit 1996 jährlich erhoben und konzentriert sich auf die Rahmenbedingungen für Bildung in den Teilnehmerländern. Neben 17 OECD-Ländern nahmen auch Chile und China an der Studie teil. „Bildung auf einen Blick“ ist unabhängig von der PISA-Studie, die vornehmlich Schülerleistungen bewertet und in ihrer neuesten Auflage im Dezember vorgestellt werden soll. (dapd)