Berlin. .
Grünen-Fraktionschefin Künast hat nach dem Atom-Kompromiss künftige schwarz-grüne Bündnisse in Frage gestellt. Bundesumweltminister Röttgen will derweil die Suche nach einem Endlager für Atommüll vorantreiben.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hat nach dem Atom-Kompromiss der Bundesregierung künftige schwarz-grüne Bündnisse grundsätzlich in Frage gestellt. „Wir haben immer gesagt, dass diese Atomenergiefrage natürlich die Möglichkeiten für Schwarz-Grün verschlechtert“, sagte Künast am Dienstag im ZDF-“Morgenmagazin“.
Mit Blick auf die im kommenden März bevorstehende Landtagswahl in Baden-Württemberg wollte sich Künast jedoch nicht festlegen. „Wir kommen überall vor die Frage, wie stimmt ein Bundesland ab, wer klagt“, sagte sie. „Für uns ist doch klar, gegen diese Atomenergie werden wir sämtliche Klagemöglichkeiten nutzen. Wir sagen, wir wollen voll auf erneuerbare Energie setzen“, sagte die Grünen-Politikerin.
Die Atom-Kompromiss bezeichnete Künast als Rückschlag. „Das ist die erste Revolution in diesem Land, die rückwärts geht“, sagte die Grünen-Fraktionschefin. „Das ist reine Klientelpolitik, das sind Geschenke für wenige, für die vier (Atomkraftwerks-)Betreiber, die da Milliarden Zusatzprofite rausholen.“
Stadtwerke erwarten derweil Milliardenverluste durch die Laufzeitverlängerung
Durch die Einigung auf längere Laufzeiten für Atomkraftwerke erwarten die Stadtwerke massive Einbußen und fordern deshalb Entschädigungen. Der Kompromiss werde die städtischen Versorger mit 4,5 Milliarden Euro belasten, sagte der Vorsitzende der Stadtwerkevereinigung 8KU, Albert Filbert. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) kündigte derweil an, er wolle nun die Lösung des Entsorgungsproblems bei Atommüll voranbringen.
„Unsere Investitionen in Kraftwerke sind im Glauben auf politische Verlässlichkeit geschehen“, sagte Stadtwerkevertreter Filbert der „Berliner Zeitung“ (Dienstagausgabe). Die Auslastung des Kraftwerksparks der städtischen Unternehmen sinke durch die längeren Laufzeiten deutlich. „Die Entscheidung entzieht auch allen zukünftigen Investitionen in Kraftwerke die Grundlage“, sagte Filbert. Bis 2030 sei soviel Erzeugungskapazität vorhanden, dass es keine neuen Bauvorhaben geben werde. „Der Wettbewerb ist damit quasi tot.“
Wie Filbert forderte auch der Deutsche Städtetag Ausgleichszahlungen für die kommunalen Versorger. Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke dürften die Investitionen in umweltfreundliche Energieerzeugung nicht gefährden, sagte Städtetags-Präsidentin Petra Roth der „Passauer Neuen Presse“. Deshalb bräuchten die Stadtwerke eine Kompensation.
15 Milliarden Euro für den Ausbau erneuerbarer Energien
Union und FDP hatten am Montag beschlossen, die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre zu verlängern. Bis 1980 gebaute Akw sollen acht Jahre länger laufen, neuere Akw 14 Jahre. Im Gegenzug sollen die Akw-Betreiber neben der bereits beschlossenen Brennelementesteuer in den kommenden Jahren insgesamt rund 15 Milliarden Euro für den Ausbau erneuerbarer Energien zahlen.
Auch die CDU-Mittelstandsunion kritisierte den Kompromiss als unzureichend. Ihr Vorsitzender Josef Schlarmann forderte im „Hamburger Abendblatt“, Atomkraftwerke zeitlos unbefristet weiterlaufen zu lassen. „Damit hätte man alle energiepolitischen Ziele, nämlich CO2-Reduktion, Versorgungssicherheit und günstige Strompreise, erreicht.“
Bei den Bundesländern lehnte Sachsen dem Kompromiss in seiner jetzigen Form ab. Sachsens Energieerzeugung aus Braunkohle werde klar benachteiligt, sagte Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) der in Chemnitz erscheinenden „Freien Presse“. Zu einer möglichen Entscheidung über den Atomkompromiss im Bundesrat sagte Morlok: „Für uns zählen die sächsischen Interessen.“ Hamburgs Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL) kündigte an, ihr Land werde sich wegen der unterschiedlichen Positionen zwischen den schwarz-grünen Koalitionspartnern enthalten, sollte der Kompromiss in die Länderkammer kommen.
Erkundung im möglichen Atommüllendlager Gorleben
Anders als seine Vorgänger wolle er die Entsorgungsfrage bei Atommüll „nicht einfach unseren Kindern ungelöst vor die Füße schütten“, sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen in den „ARD-Tagesthemen“. Deshalb habe er die Erkundung im möglichen Atommüllendlager Gorleben wiederaufnehmen lassen. Der durch die Laufzeitverlängerung zusätzlich entstehende Atommüll sei dabei „vom Volumen her nicht das Problem“.
Der Reaktor-Experte Michael Sailer warnte derweil davor, dass die Laufzeitverlängerung das Störfallrisiko für die Atomkraftwerke erhöhen werde. Sicherheits-Nachrüstungen könnten die älteren der 17 Reaktoren nicht auf den Stand der neueren Anlagen bringen, sagte der Geschäftsführer des Öko-Instituts der Online-Ausgabe der „Frankfurter Rundschau“.