Revolution ist ein großes Wort. Erst recht, wenn es von einer Bundeskanzlerin kommt. Und hört man die lauten Proteste der Kernenergiegegner, könnte man tatsächlich den Eindruck umstürzlerischen Tuns bekommen. Bei Licht betrachtet und jenseits ideologischer Frontstellung wird freilich aus dem Umsturz ein Umstürzchen, der gleichwohl nicht gering zu schätzen ist.
Was ist passiert? Ja, die schwarz-gelbe Bundesregierung will den von Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg verändern und die Laufzeiten verlängern. Eine komplette Wende ist das nicht. Acht Jahre für ältere und 14 für jüngere Meiler sind das Ergebnis eines Kompromisses, der die weit verbreitete Abneigung der Bevölkerung gegen Atomkraftwerke berücksichtigt. Die deutschen Laufzeiten dürften – auch bei Umrechnung in zugestandene Strommengen – hinter den 60 Jahren in Ländern wie USA, Frankreich oder Niederlande zurückbleiben. Mit den Kernkraftwerken bleibt auch ein Stück Volksvermögen, das die Stromkunden bezahlt haben, länger erhalten.
In dem Energiekonzept geht es allerdings um mehr als bloß um Atomstrom. Die Koalition schließt mit den Kapiteln zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz die Lücke, die der Atomausstieg gerissen hätte. Bisher fehlte eine schlüssige Antwort darauf, wie Deutschland die Einsparziele beim Klimakiller Kohlendioxid erreichen soll, wenn die AKW auslaufen. Die Bundesregierung schöpft zweistellige Milliardenbeträge bei den Kernkraftwerksbetreibern ab und lenkt sie in erneuerbare Energien und Effizienzprogramme. Das ist in der Tat ambitioniert und müsste eigentlich den Beifall der Umweltverbände finden. Welches Industrieland hat schon das Ziel, 2050 einen Ökostromanteil von 80 Prozent zu erreichen?
Wer die Latte so hoch legt, muss auch dafür sorgen, dass der Strom bezahlbar bleibt. Die Stahl-, Aluminium- und Chemieindustrie hierzulande weiß ein garstig Lied zu singen über die Wettbewerbsvorteile, die etwa das Atom-Land Frankreich seiner Industrie über den Strompreis angedeihen lässt. Auch das muss ein Energiekonzept berücksichtigen, auch deswegen ist die Laufzeitverlängerung sinnvoll.
Und wie geht’s weiter? Der politische Streit über das Konzept fängt jetzt erst an. Die gestrigen Feierlichkeiten an der Börse werfen die Frage auf, ob die vier großen Energiekonzerne nicht allzu glimpflich davongekommen sind. Gleichwohl könnte das Energiekonzept einen gangbaren und realistischen Weg hin zur Energiewende aufzeigen – sofern es rechtlich Bestand hat.