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Von einem „Himmelfahrtskommando“ sprach unlängst Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), als er auf die Auslandseinsätze seiner Kollegen in Afghanistan angesprochen wurde. Als erstes Bundesland weigert sich nun Brandenburg, weiterhin Polizisten als Ausbilder an den Hindukusch zu schicken. Auch in NRW wachsen unter den Beamten die Vorbehalte, wenn es um ihre Verwendung in dem Krisengebiet geht.

Brandenburgs Innenminister Rainer Speer (SPD) hatte den Einsatz neu bewertet, nachdem Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) von einem „bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts“ gesprochen hatte, an dem die Polizisten teilnehmen. Dies sei faktisch dasselbe wie Krieg und seine Beamten beteiligten sich nicht an kriegerischen Auseinandersetzungen, ließ Speer durch seinen Sprecher verlauten. Wie es aus Polizeikreisen heißt, spiele bei der Entscheidung jedoch auch der massive Stellenabbau innerhalb der Landesbehörde eine Rolle. Eine zusätzliche Reduzierung der Personalstärke durch Auslandseinsätze sei der Bevölkerung Brandenburgs demnach nur schwer zu vermitteln.

In NRW dominieren die Diskussion eher die Bedenken um die Sicherheit der Beamten und die fehlende Perspektive der Mission. „Wir müssen uns die Frage stellen, was wir da erreichen und wie lange wir dort bleiben wollen. Es fehlen ein konkretes Abzugsdatum und eine einheitliche Konzeption“, sagte Frank Richter, NRW-Chef der GdP, im Gespräch mit dieser Zeitung.

Tragfähige und effektive Polizeistrukturen aufbauen, Ausstattung liefern sowie afghanische Eigenverantwortung fördern, um so zur Stabilisierung der Sicherheitslage des Landes beizutragen. So steht es in den Beschreibungen der Arbeitsgemeinschaft Internationale Polizeimissionen, die im Bundesinnenministerium die Auslandseinsätze der Landespolizeibehörden koordiniert.

Militärschutz notwendig

Bis 2014 sollen nach dem Plan der Bundesregierung in Afghanistan 134 000 Polizisten ausgebildet und eigenverantwortlich tätig sein. Berichte von heimgekehrten Polizeibeamten zeigen, wie schwierig es sein wird, dieses Ziel zu erreichen.

Außeneinsätze sind nur unter Schutz des Militärs möglich, da Polizisten mehrfach Ziele von Anschlägen sind. Bis 2008 starben 1200 afghanische Polizisten, doppelt so viel wie Soldaten. Etwa 90 Prozent der afghanischen Bewerber sind nach Polizei-Auskunft Analphabeten. die zudem ein ganz anderes Rechtsverständnis als ihre deutschen Kollegen haben, was die Ausbildung und die Zusammenarbeit erschwert: Frauen werden verhaftet, weil sie allein auf die Straße gehen, Männer geprügelt, weil sie die Kleiderordnung nicht einhalten. Geständnisse von Beschuldigten werden abgepresst. Der bayerischen Polizeidirektor Jan Schürmann beklagt in seinem Aufsatz für die GdP-Zeitschrift, dass etwa 60 Prozent der Bewerber die Ausbildung abbrechen, und diejenigen, die durchhalten kein hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießen.

Trotz dieser Situation will das NRW-Innenministerium ebenso am Polizei-Einsatz in Afghanistan festhalten wie Berlins Innensenator Körting: „Die NRW-Polizei steht zum vereinbarten Auslandsengagement in Afghanistan. Es ist selbstverständlich, dass dabei die Sicherheit der Beamtinnen und Beamten allerhöchste Priorität hat“, so ein Sprecher.