Washington/Jerusalem.

Nach fast zweijähriger Unterbrechung haben Israelis und Palästinenser am Donnerstag in Washington ihre direkten Friedensgespräche wieder aufgenommen. Es gab schöne Worte. Doch die wahren Friedenssignale sendete zur gleichen Zeit das israelische Fernsehen aus.

Er sei bereit, für einen Frieden einen langen Weg in einer kurzen Zeit zurückzulegen, sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zum Auftakt der Gespräche mit Palästinenserpräsident Mah­mud Abbas in Washington. Im Beisein von US-Außenministerin Hillary Clinton reichten sie sich die Hände. Doch die Menschen im Nahen Osten verfolgen die Ereignisse im fernen Washington mit Skepsis.

Nach 17 Jahren erfolgloser Friedensgespräche scheint den meisten Menschen der Region, als wäre ihnen alles schon bekannt: „Schöne Worte haben uns nicht weiter geholfen. Niemand will sie mehr hören“, sagt etwa der palästinensische Journalist Sam Bahour.

Die Siedler im Westjordanland schickten ihre Planierraupen los

Nicht nur Netanjahu und Abbas, auch die Friedensgegner benutzten in den vergangenen Tagen die bekannte Rhetorik: „Der heutige Tag steht für den Beginn direkter Verhandlungen zwischen jemand, der kein Recht hat, die Palästinenser zu vertreten, und einem brutalen Besatzer, der die Gespräche als Deckmantel dafür nutzt, unser Land zu stehlen“, sagte Mahmud a-Sahar, Führer der Hamas in Gaza. Hamas-Chef Khaled Maschal sagte, dass kein Vertrag, den Abbas aushandle, Gültigkeit besäße oder anerkannt würde.

Auch die Anführer der israelischen Siedler im Westjordanland überraschten nicht: In 80 Siedlungen schickten sie Planierraupen auf brach liegende Grundstücke, um damit ihre Rebellion gegen den von Israel verhängten Baustopp zu de­monstrieren. „Netanjahu sollte seinen Besuch in Washington abbrechen. Wie kann er dort feiern, während in Israel Terroropfer begraben werden?“, wetterte der Chef des Siedlerrates Danny Dayan.

Interessant ist, was nicht gesagt wurde

Interessanter als die schablonenhaften Reden waren jedoch die Dinge, die nicht gesagt wurden. Das fiel auch Dayan auf. Er sei besorgt über das, was Netanjahu seit mehr als einem Jahr nicht mehr ausspreche. „Seit mehr als einem Jahr hat er nicht mehr gesagt, dass Jerusalem nicht geteilt werden wird, dass Israel sich nicht auf die Grenzen von 1967 zurückziehen wird, oder dass er keine Siedlungen räumen wird. Das ist eine bedenkliche Entwicklung“, so Dayan.

Seine Sorge könnte begründet sein: Kommentatoren wunderten sich über die Funkstille nach einem Interview von Verteidigungsminister Ehud Barak, der darin unverblümt von einer Teilung Jerusalems gesprochen hatte. Früher hätte das Interview einen Aufschrei ausgelöst. Jetzt könnte es als politischer Testballon Netanjahus gedient haben, um die politischen Wasser auszuloten.

Auch war nach zwei blutigen Anschlägen der Hamas im Westjordanland von der offiziellen israelischen Führung keine Kritik an den palästinensischen Sicherheitskräften zu hören, im Gegenteil: Offiziere nahmen ihre palästinensischen Kollegen sogar in Schutz. So warnte zwar Nitzan Alon, Befehlshaber in der Umgebung von Hebron, wo in der Nacht zum Dienstag vier Israelis erschossen wurden, vor der Gefahr weiterer Attentate. Die Kritik der Siedler, man habe zu viele Straßensperren geräumt und dadurch den Terror erst ermöglicht, wies er aber entschieden zurück: „Sicherheit hängt nicht nur von den Straßensperren ab, sondern auch von der Kooperation mit den Palästinensern.“ Und die scheint gut zu sein, denn laut Alon ist die Lage heute „unvergleichlich besser“ als vor zwei Jahren.

Israelische Medien loben die
Fortschritte in Hebron

Einst wiesen israelische Politiker nach Attentaten mit anklagendem Zeigefinger Richtung Ramallah. Dort werde nicht genug gegen den Terror getan, hieß es. Netanjahu war früher einer der ersten, die behaupteten, auf der anderen Seite gebe es keinen Partner.

Doch nun berichteten die Medien ausführlich von der „größten Verhaftungswelle“ in der Geschichte der palästinensischen Autonomiebehörde und widmeten „dem Fortschritt in Hebron“ eine 15 Minuten lange Reportage. Die wohl interessanteste Wendung bot aber der ehemalige Hardliner Netanjahu, der sich in Washington mit einer Schulterdrehung an Abbas wandte und ihm sagte: „Präsident Abbas, Sie sind mein Gefährte auf dem Weg zum Frieden.“