Rom/London/Paris. .
Deutschland steht mit der Bundeswehrreform nicht alleine da. Auch in anderen europäischen Ländern hat die Bundeswehr zahlreiche Veränderungen – nicht zuletzt wegen des Sparzwangs – durchgemacht. Ein Blick nach Großbritannien, Italien und Frankreich.
Die Italiener
Nein, abgeschafft hat Italien die Wehrpflicht nicht. Es hat die Wehrpflicht lediglich „auf unbestimmte Zeit ausgesetzt“. Wie auch immer: Praktisch gibt es die Wehrpflicht in Italien nicht mehr. Vor sechs Jahren hat das Parlament ein entsprechendes Gesetz beschlossen – einstimmig.
Der Verteidigungsminister füllt seine Truppen über öffentliche Stellenausschreibungen nach, und er hat kaum Mühe damit. Jährlich 12 000 Plätze vergibt beispielsweise das Heer für seinen zwölfmonatigen „Grundwehrdienst“; 2009 trudelten dafür mehr als 48 000 Bewerbungen ein. Übrigens: Ein zwölfmonatiger Dienst bei den Truppen ist immer noch zwingende Voraussetzung für jeden, der einen lebenslang sicheren Job bei der italienischen Polizei anstrebt. Mit der Umstellung auf eine Freiwilligenarmee ist die Truppe auch für Frauen geöffnet worden. An die 7000 haben sich 2009 für den Grundwehrdienst beworben. Auch auf der nächsten Stufe, dem vierjährigen Freiwilligen-Dienst, zu dem bereits Auslandseinsätze gehören, kann der Minister über Lücken nicht klagen.
Gelitten hat mit dem Ende der Wehrpflicht der Zivildienst, den in der letzten Pflicht-Periode jährlich etwa 25 000 Wehrdienstverweigerer ableisteten und der eine ähnliche Bedeutung hatte wie in Deutschland. Mit der Aufhebung der Wehrpflicht hat Italien aber auch das „Freiwillige Soziale Jahr“ reformiert, ausgebaut und für männliche Bewerber geöffnet. Wenn die Zahlen beim Sozialen Jahr dennoch seit 2006 von 46 000 auf 30 000 gesunken sind, so liegt das vorwiegend am Geld, das die Regierung zur Förderung dieses Projekts bereitstellt, nicht aber am Mangel an Bewerbern.
Die Franzosen
Als Frankreichs damaliger Staatspräsident Jacques Chirac entschied, ab dem 1. Januar 2003 die Wehrpflicht abzuschaffen, erntete er einen Sturm des Protests. Im Mutterland der „levée en masse“, wo freie Bürger unter Waffen nach 1789 die Söldner- und Adeligenheere der europäischen Könige das Fürchten lehrten, galt dieser Schritt vielen als Bruch mit einem bewährten Erbe der Großen Revolution.
Doch auch sieben Jahre später zählen die „forces armées francaises“ mit ihren 374 000 Soldaten weiterhin zu den stärksten Streitkräften der Welt. Allerdings verfügen in Frankreich traditionell auch die eine strikt territoriale Ordnungsfunktion ausübenden 110 000 Gendarmen über einen militärischen Status und bilden neben Heer, Marine, Luftwaffe sowie der über Atomwaffen verfügenden „force de frappe“ die fünfte Teilstreitkraft der Armee. Im eigentlichen Sinne weist Paris also eine Truppenstärke von rund 250 000 Mann aus.
Rekrutierungsprobleme, die bei der Abschaffung der Wehrpflicht von zahlreichen hohen Militärs befürchtet wurden, kennt Frankreich nicht. Tatsächlich erfreut sich die Armee in der Gesellschaft eines hohen Ansehens, die Zahl der Freiwilligen ist konstant deutlich höher als die der verfügbaren Stellen. Wobei die Franzosen nicht nur stolz sind auf ihre Streitkräfte, sondern sie sich mit einem seit langem bei etwa 2,3 Prozent des Bruttosozialprodukts in Anspruch nehmendem Militärbudget auch einiges kosten lassen. 2009 bezifferten sich die Verteidigungsausgaben auf 50 Milliarden Euro.
Bemerkenswert ist, dass Paris nicht vorhat, seinen Verteidigungshaushalt spürbar zu senken, obwohl derzeit eine von Nicolas Sarkozy angeordnete Reform die schrittweise Reduzierung der Truppenstärke um ein Fünftel sowie die Schließung der Hälfte aller Stützpunkte mit sich bringt. Schlanker, besser ausgerüstet und mobiler sollen die bis Ende 2012 auf 225 000 Mann verringerten Streitkräfte künftig besser auf eine seit dem Ende des Kalten Krieges völlig veränderte Bedrohungslage zugeschnitten sein.
Unter dem Strich läuft die Umsetzung des aktuellen Weißbuchs darauf hinaus, dass Frankreich zwar über weniger, dafür aber schlagkräftigere Truppen verfügen wird. Gleichzeitig setzt Paris auf eine verstärkte Kooperation mit den Verbündeten. So trat Frankreich im Juni des vergangenen Jahres wieder als Vollmitglied in die NATO ein.
Die Briten
Als die Wehrpflicht 1960 abgeschafft wurde, dienten fast eine halbe Million in den britischen Streitkräften. Heute beträgt die Sollstärke 195 000 Männer und Frauen in der Berufstruppe. Sie ist die stärkste professionelle Streitmacht Europas.
Auch beim Verteidigungsbudget hält Großbritannien nach den USA eine Spitzenposition und gibt dafür 2,5 Prozent des Bruttosozialprodukts aus. Der harte Sparkurs der neuen Koalitionsregierung von Konservativen und Liberaldemokraten, der den Ministerien Etatkürzungen von 25 Prozent abverlangt, betrifft auch die Verteidigung. Militärexperten schätzen, dass die „Armed Forces“ sich um 20 000 Mann verringern müssen. Der britische Generalstabschef David Richards hält jedoch eine Reduktion von 10 000 Mann für akzeptabel.
Bei der Rekrutierung herrscht kein allzu großer Andrang. Um die Mannschaftsstärke zu halten, werden etwa zehn Prozent der Soldaten aus dem Ausland angeworben. Das größte Kontingent stellen die nepalesischen Ghurkas. Die Berufssoldaten müssen sich auf mindestens vier Jahre verpflichten und dienen im Durchschnitt 22 Jahre.