Essen.

. „Generation Chancenlos“ – so nannte jüngst eine Wirtschaftszeitung die jungen Leute von heute. Aber das ist nicht mal die halbe Wahrheit. Experten wissen: Chancenlos sind in der Regel nur diejenigen, die keinen oder einen miserablen Schulabschluss haben oder die schlecht Deutsch sprechen.

„Die Politik hat große Fehler bei der Bildung gemacht.“ Das ist das Urteil von Gerhard Bosch, Direktor des Institutes Arbeit und Qualifikation (IAQ) an der Uni Duisburg- Essen. „Wir produzieren Bildungsverlierer. 40 Prozent der jungen Migranten haben keine Berufsausbildung. Weniger als jeder dritte Hauptschüler geht direkt in eine Ausbildung“, weiß der Professor. Fehlerquelle Nummer zwei sei, dass die Politik immer schlechtere Arbeitsbedingungen zugelassen habe: „Der Niedriglohnsektor wächst, in den Dienstleistungsberufen gibt es oft nur noch Minijobs. Wenn wir darauf nicht reagieren, wird es immer weniger normale ­Arbeitsverhältnisse geben. In Schweden und Dänemark ist das ganz anders. Wir sehen daran, dass die Politik diese Entwicklungen durchaus steuern kann, wenn sie das will.“

Ist Deutschland also in Europa das Schwarze Schaf in Sachen Jugendarbeitslosigkeit? Mitnichten. Das IAQ kann belegen, dass die Arbeitslosenquote bei den unter 25-Jährigen mit zehn Prozent nur knapp über der der Erwachsenen liegt. Zum Vergleich: In Frankreich ist jeder vierte Jugendliche arbeitslos gemeldet, in Spanien jeder Zweite. Überall dort, wo es duale Be-rufsbildungssysteme gibt, finden besonders viele junge Leute Lehre und Job. Das ist in Deutschland so, in Österreich, Dänemark und der Schweiz.

Oft sogar eine Bereicherung

Von einer „Generation Chancenlos“ will Norbert Woehlke von der IHK in Düsseldorf nichts wissen. „Wir haben hier einen super Aus­bildungs-Markt“, versichert der stellvertretende IHK-Geschäftsführer. „Auf einen Suchenden kommen rechnerisch 1,3 Stellen.“ Zwar seien die beschaulichen Zeiten für Berufstätige vorbei („Es wird nur noch selten so sein, dass einer bei der Firma XY anfängt und dort bis zur Rente bleibt.“), aber Veränderung und Arbeitsplatzwechsel seien ja nichts Schlechtes, „oft sogar eine Bereicherung“.

Woehlke erkennt ein ­„Passungs-Problem“: Berufswunsch und -angebot passten selten zusammen. „So viele Jungs wollen Kfz-Mechatroniker werden und so viele Mädchen Kosmetikerin. Und dann auch noch alle bei bekannten Unternehmen“, stellt Woehlke fest. Für ihn ist das die falsche Strategie. Sei Rat: „Bewerbt Euch bei Eurer Traumfirma, aber auch bei weniger bekannten Unternehmen. Und schaut, ob es nicht andere Ausbildungen gibt, die ganz nahe an Eurem Traum sind. In Deutschland gibt es nämlich 300 Ausbildungsberufe.“

Schiere Not im Betrieb

Dass das Handwerk noch „goldenen Boden“ hat, ver­sichert Alexander Legowski vom Zentralverband des deutschen Handwerks. „Die Chancen sind exzellent, zum Beispiel haben alle Berufe rund um Informationstechnologien oder Klimaschutz und Energie Konjunktur. Aber selbst im beliebten Friseurberuf sind immer noch Lehrstellen unbesetzt und gute Fachkräfte begehrt.“

In manchen Regionen herrsche schon die schiere Not in den Betrieben, weil der Lehr-Nachwuchs fehle. „Im äußersten Osten Deutschlands hat sich die Zahl der Schulab­gänger in zehn Jahren halbiert. In Potsdam bleiben bisher 600 Lehrstellen unbesetzt, in Cottbus 500. Alle Handwerkskammern haben in ihren Ausbildungsbörsen noch freie Plätze und das Ende August.“ Eine Konsequenz: Das Handwerk bietet Lehrstellen nun auch für Azubis aus Polen und Tschechien an. Kritik weist Handwerks-Präsident Otto Kentzler zurück: „Wer wochenlang ­vergeblich Anzeigen aufgibt oder Online-Jobbörsen bestückt, nutzt jede Chance, Mitarbeiter zu gewinnen – auch in Nachbarländern.“