Berlin. .

Am 9. Mai 2011 ist wieder Volkszählung – die ­erste seit 23 Jahren in der alten Bundesrepublik, seit 30 ­Jahren in Ostdeutschland. Bürgerrechtler und Datenschützer protestieren; wenn auch nicht so laut wie 1987. Dem Verfassungsgericht in Karlsruhe liegen mehrere Beschwerden gegen den ­„Zensus 2011“ vor.

Ein Überblick:

Was ist das Grundanliegen?

Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass in Deutschland weniger Menschen leben als angenommen. Ein Grund: Viele sind seit den 80er Jahren umgezogen, zu- oder ausgewandert, ohne sich an- oder abzumelden. „Wir gehen davon aus, dass die momen­tane Schätzung von 81,8 Millionen um rund 1,3 Millionen zu hoch ist“, so Projektleiterin Sabine Bechtold.

Na und?

Sagt sich so leicht. Eine möglichst exakte Einwohnerzahl ist maßgeblich für Zahlungen der Europäischen Union an ihre Mitgliedsstaaten, für den Länderfinanzausgleich innerhalb Deutschlands, für Ausgleichszahlungen auf der Ebene von Städten und Gemeinden. Auch der Zuschnitt der Wahlkreise hängt davon ab.

Werden falsche Zahlen in den kommunalen Melde­registern belohnt oder bestraft?

Es gibt keine Sanktionen, wenn man ohne Abmeldung umzieht. Viele Städte drücken ein Auge zu. Sie bekommen umso mehr Steuergeld, je ­größer sie sind.

Wird jeder Bürger befragt?

Nein. Mit Hilfe eines methodischen Dreiklangs will man erreichen, dass die benötigten 80 000 Interviewer nur bei jedem zehnten, sorgfältig vorher ausgesuchten Bürger anklingeln. Was sie ermitteln anhand von bis zu 46 Fragen, wird auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet.

Wie sieht die Methode aus?

1) Es werden jede Menge bereits vorhandener Verwaltungsdaten ausgewertet.

2) Zehn Prozent der ­Bevölkerung werden in einer Stichprobe befragt.

3) Alle 17,5 Millionen Haus- und Wohnungseigentümer werden schriftlich befragt. Macht zusammen rund 113 Millionen Datensätze.

Aus welchen Quellen ­werden vorhandene Daten geschöpft?

Aus den Melderegistern der Kommunen etwa werden Alter, Geschlecht, Staats­an­gehörigkeit, Wohnsitz, Familienstand und Religions­­zu­gehörigkeit bezogen.

Aus dem Register der Bundesagentur für Arbeit kommen Details zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und den Wirtschaftszweigen. Angaben über Beamte oder Richter holen sich die Statistiker aus den Personalämtern der Behörden.

Wie wird der Datenschutz gewährleistet?

Laut Bundesamt vor allem durch das „Einbahnstraßen-Prinzip“. Alle Daten, die erhoben werden, so Projektleiterin Bechtold, werden zu keiner Zeit später an andere Behörden wie Finanzämter oder die Polizei zurückgespielt. Spätestens nach vier Jahren werden alle Daten gelöscht. Während dieser Zeit werden die Daten beim Bundesamt in Wies­baden verschlüsselt gelagert.

Kann man sich der ­Befragung entziehen?

Nein. Nach dem Rechts­rahmen, der 2009 noch von der großen Koalition gesteckt wurde, besteht Auskunftspflicht für denjenigen, der für die Befragung ausgewählt ist. Nur so glauben die Statistiker eine unverzerrte, repräsenta­tive Datenlage zu bekommen. Lediglich die Antwort auf die Frage nach dem Glaubens­bekenntnis ist ­freiwillig.

Wird bestraft, wer sich ­weigert?

Es können Zwangsgelder bis zu 5000 Euro verhängt werden. Aber: Danach muss man trotzdem Auskunft geben. Die Behörden rechnen nach den Erfahrungen mit dem viermal jährlich erhobenen Mikrozensus (800 000 Befragte) nicht mit einer hohen Zahl von Verweigerern.

Was ist, wenn einer bei der Befragung Unsinn erzählt?

Wenn Angaben nicht ­plau­sibel sind, rücken die Inter­viewer zur Wiederholungs- Befragung an; zur Not auch mehrmals.

Warum werden die Hauseigentümer flächendeckend ins Visier genommen?

Es gibt bislang kein flächendeckendes Register für ­Wohnungen und Gebäude. Angaben zum Alter der Gebäude, zu Wohnungs­größen, möglichem Leerstand, zu Details der Ausstattung wie Bad und Heizung und zur Zahl der Bewohner sollen eine vorausschauende Bauvorausplanung erleichtern.

Gibt es weitere Besonder­heiten?

Ja. In Gemeinschaftsunterkünften wie Altersheimen oder Justizvollzugsanstalten, in denen insgesamt rund zwei Millionen Menschen leben, werden alle dort registrierten Personen befragt.

Wo kann man sich im Internet noch detaillierter informieren?

Auf www.zensus2011.de ist die amtliche Lesart zu sehen.

Kritiker melden sich auf www.vorratsdatenspeicherung.de und www.foebud.org zu Wort.