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Der neue Grünen-Fraktionschef imLandtag, Reiner Priggen, glaubt, dass Rot-Grün in Sachfragen die Linke und auch die Union mit ins Boot holen kann. Eine Zusammenarbeit mit der FDP scheint ihm hingegen fraglich.
Neben dem Landtagsbüro von Reiner Priggen gibt es die „Priggen-Arena“. Dort steht neben dem Konferenztisch ein Fußballkicker. Nachdem sich der neue Grünen-Fraktionschef den Fragen von Theo Schumacher gestellt hatte, lud er ihn zu einem Match - und verlor.
Herr Priggen, nach der Sommerpause wird es ernst für die rot-grüne Minderheitsregierung. Wie sehr bauen Sie bei der Suche nach Mehrheiten auf die Linke?
Reiner Priggen: Wir suchen Mehrheiten mit allen Fraktionen, dabei kommt es auch auf die CDU an. Mit der gemeinsamen Linie gegen die Steinkohlepläne der EU ist ein Anfang gemacht. Es gibt weitere Verknüpfungspunkte wie einen wirksamen Nichtraucherschutz. Da hat Herr Laumann immer eine vernünftige Position vertreten.
Und die FDP?
Priggen: Da bin ich sehr skeptisch. Sie wird von Fraktionschef Papke derart rigoros aufgestellt, dass die moderate Linie von Landeschef Pinkwart kaum eine Chance hat.
Warum sollte die CDU den Mehrheitsbeschaffer für SPD und Grüne geben?
Priggen: Die Frage ist doch, ob die CDU sich grundsätzlich verschließt. Es ist bekannt, dass uns eine Stimme im Landtag fehlt, und wir wissen, dass wir nicht Rot-Grün pur durchsetzen können, sondern Zugeständnisse machen müssen. Wir gehen ohne Arroganz auf alle anderen Fraktionen zu. Sie müssen sich entscheiden: punktuelle Zusammenarbeit oder totale Blockade. Letzteres würde auf Neuwahlen hinauslaufen, aber auch davor haben wir keine Angst.
„Beim Nachtragshaushalt setzen wir auf die Linken“
Erste Nagelprobe wird der Nachtragshaushalt.
Priggen: Ja, der ist nötig, weil die Buchführung der alten Regierung an einigen Punkten unsauber war. Die Kitas sind unterfinanziert, ebenso viele Lehrerstellen. Es gibt große Lücken bei der Risikovorsorge für die WestLB. Wir beseitigen mit dem Nachtragshaushalt also nur Altlasten. Da setzen wir auf die Linke, da CDU und FDP wohl kaum eigene Fehler korrigieren.
Zur finanziellen Neulast wird die Abschaffung der Studiengebühren. Bleibt es beim Wintersemester 2011/12?
Priggen: Das geht rechtlich gar nicht anders. Wir können nicht sofort aus den Studiengebühren aussteigen. Wir brauchen eine klare Gegenfinanzierung im Etat, damit die Hochschulen keine Ausfälle haben. Das machen wir im Haushalt 2011, der voraussichtlich im Mai verabschiedet wird.
Sie persönlich waren einer der Vorreiter für das Ende der Steinkohlehilfen. Jetzt stemmen Sie sich gegen die EU-Pläne, schon 2014 auszusteigen. Koalitionsräson?
Priggen: Nein. Sehen Sie, wir schließen in diesem Jahr das Bergwerk Ost, im nächsten Jahr eine Zeche an der Saar und 2012 das Bergwerk West in Kamp-Lintfort. Dann verbleiben noch drei Zechen in NRW, die wir nicht in zwei Jahren dichtmachen können. Was die EU jetzt will, ist dramatisch und wäre nur beim Verlust von fast 5500 Arbeitsplätzen für die Bergleute und 10 000 im Zulieferbereich möglich. Das geht nicht. Da sind wir im Wort, und der Bund auch.
„Die Zukunft des Kraftwerks Datteln wird vor Gericht entschieden“
Die FDP will den Zeitplan straffen und zwar ohne betriebsbedingte Kündigungen. Ist das realistisch?
Priggen: Nein, aber es ist typisch. Die FDP verhält sich wie jemand, der ein Kind zeugt und sich dann weigert, Alimente zu bezahlen. Den geltenden Steinkohle-Kompromiss bis 2018 hat sie als Regierungspartei in NRW unterschrieben. Jetzt will sie davon nichts mehr wissen.
Beim Kohlekraftwerk Datteln gibt es den ersten rot-grünen Konflikt. Die SPD will den Weiterbau, die Grünen das Aus. Wie geht es weiter?
Priggen: Ich sehe keinen Konflikt. Wie die Zukunft Dattelns aussieht, kann derzeit niemand sagen. Der Koalitionsvertrag sagt eindeutig, dass die Regierung weder Kraftwerke baut noch abreißt. Über Datteln wird letztlich vor Gericht entschieden, nicht politisch.
Aber wäre nicht auch ein politisches Signal nötig?
Priggen: Das haben wir doch gesetzt. Wir haben klar gesagt, dass wir den alten Planungsmurks der Regierung Rüttgers zurücknehmen und Gesetze nicht zu Lasten der Bevölkerung verbogen werden dürfen. Gesetze müssen den Schutz der Anwohner ebenso berücksichtigen wie die legitimen Interessen eines Investors. Daran hat sich die alte Regierung im Fall Datteln leider nicht gehalten.
In der CDU kommt es zum Duell um den Landesvorsitz zwischen Norbert Röttgen und Armin Laschet. Wer wäre Ihnen lieber?
Priggen: Naja, ich bin Aachener und kenne deshalb Armin Laschet gut. Er hat meine persönlichen Sympathien.
In welche Richtung geht die CDU?
Priggen: Ich denke, sie ahnt noch gar nicht, vor welchen inhaltlichen Konflikten sie steht. Es gibt in der CDU einige moderne und prominente Hoffnungsträger, zu denen ich neben Frau von der Leyen auch Laschet und Röttgen zähle. Sie sind mit ihren Positionen in der Familien-, Umwelt oder Integrationspolitik durchaus grün-kompatibel, kollidieren aber immer wieder mit dem konservativen Mainstream. Das zu klären, wird noch eine Titanenaufgabe für die CDU. Auch für die Partei in NRW, der Jürgen Rüttgers an diesem Punkt keine Orientierung gegeben hat.