Berlin. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries mahnt ein Gesetz über Patientenverfügungen an. Vor der Schlussberatung im Bundestag warnte die SPD-Politikerin im Gespräch mit der WAZ-Gruppe: "Wir sollten uns nicht um eine Antwort drücken."
Am Donnerstag entscheidet der Bundestag darüber, ob es eine gesetzliche Regelung zur Patientenverfügung gibt. In ihr legt ein Mensch fest, ob er noch medizinisch behandelt werden will, wenn er darüber nicht mehr entscheiden kann. Vier Initiativen stehen zur Diskussion.
Frau Zypries, die Zahl der Skeptiker wächst, die gar keine gesetzliche Regelung über Patientenverfügungen wollen, Angela Merkel etwa.
Brigitte Zypries: Ich finde das sehr bedauerlich. Die Kanzlerin hat ja einen der Entwürfe zur Patientenverfügung unterschrieben. Jetzt scheint sie ihre Meinung zu ändern und hat den Verzicht auf eine Regelung als „interessant” bezeichnet. Das ist eine Art von Beliebigkeit, die ich nicht nachvollziehen kann.
Warum brauchen wir ein Gesetz?
Zypries: Die Menschen wollen sich darauf verlassen können, dass ihre Verfügung beachtet wird. Ein Gesetz würde mehr Rechtssicherheit schaffen – für Patienten, Angehörige und Betreuer, und auch für die Ärzte.
Macht sich der Bundestag lächerlich, wenn er Jahre diskutiert und dann nichts tut?
Zypries: Lächerlich nicht, aber es wäre eine verpasste Chance. Wir sollten uns nicht um eine Antwort drücken. Eine schwache Beteiligung an der Abstimmung würde kein gutes Licht auf den Bundestag werfen.
Gibt es einen Punkt, an dem auch Sie sagen würden, nee, dann lieber gar kein Gesetz?
Zypries: Allerdings! Mit dem Bosbach-Entwurf würden wir sogar hinter das geltende Recht zurückfallen.
Was sollte daran falsch sein, eine Verfügung alle fünf Jahre zu aktualisieren, wie Bosbach vorschlägt?
Zypries: Sinn und Zweck einer Verfügung ist es, dem Arzt den Willen eines Patienten, der sich selbst nicht mehr äußern kann, zu vermitteln. Der Wille ändert sich aber nicht nach einem bestimmten Stichtag. Eine solche Regelung ist bürokratisch und führt nur zu neuen Streitigkeiten.
Ist es abstrus?
Zypries: Abstrus nicht. Ich empfehle sogar, eine Verfügung alle zwei Jahre zu erneuern. Ich halte aber nichts von einem starren Stichtag. Nehmen wir einmal an, jemand kommt einen Tag nach Ablauf der Frist ins Krankenhaus. Er ist bewusstlos und kann nicht mehr selbst entscheiden. Soll dann seine Verfügung etwa nicht mehr gelten?
Zöllner und seine Gruppe legen Wert darauf, dass der Patient sich vorher ärztlich beraten lässt. Das ist doch grundvernünftig, oder?
Zypries: Eine solche Regelung würde dazu führen, dass die bisher etwa acht Millionen Patientenverfügungen im Zweifel ungültig wären, wenn sie ohne vorherige ärztliche Beratung verfasst worden sind. Ich bin der Ansicht, dass jeder Mensch selber entscheiden soll, wen er bei einer so wichtigen Frage am liebsten zu Rate zieht. Das kann eine Selbsthilfegruppe sein oder ein Gespräch mit einem Geistlichen. Ich bin dagegen, in dieser Frage den Menschen Vorschriften zu machen.
Die Fragen stellte Miguel Sanches