Islamabad/Essen. .

Die Flut scheint Pakistan auch in eine politische Krise zu reißen. Ein Großteil der Ernte wird vernichtet, die Regierung ist überfordert und das Militär wittert seine Chance.

Während sein Land begann, in den ­Fluten zu versinken, reiste Pakistans Präsident Asif Ali Zardari durch Europa. Der für sein Krisenmanagement in seiner Heimat kritisierte Staatschef zeigte sich am Donnerstag erstmals im Katastrophengebiet. Das staatliche Fernsehen zeigte Zardari, wie er einer älteren Frau über den Kopf streichelte und den Staudamm von Sukkur besichtigte.

Im „Wall Street Journal“ verteidigte sich Zardari. Persönlich hätte er von dem „politischen Symbol“ profitiert, wenn er sich vor Ort gekümmert hätte „Doch hungrige Menschen können keine Symbole essen. Ich habe gehandelt und die Welt mobilisiert“.

Anscheinend nicht genug. Zwar erhöhten Deutschland, Europäische Union und USA ihre Soforthilfe auf gesamt 105 Millionen Euro, doch die ­große Spendenbereitschaft der Bürger blieb bisher aus. Mit 197 000 Euro hat das „Aktionsbündnis Deutschland hilft“ in Bonn nur einen Bruchteil dessen registriert, was im Januar für die Erd­bebenopfer in Haiti gespendet wurde. „Pakistan hat ein schwieriges Image für Spenden. Die Leute befürchten, dass sie Geld für Terroristen geben“, sagt Birte Steigert von dem Zusammenschluss von Hilfsorganisationen. Eine ­weitere Rolle spiele die Dichte der Katastrophen und die mediale Präsenz vor Ort.

Dabei wäre Hilfe für Pakistan bitter nötig. Von den schwersten Überschwemmungen seit 80 Jahren sind 14 Millionen Pakistaner betroffen. Mehr als 1600 Menschen kamen ums Leben, rund zwei Millionen sind obdachlos. Zudem könnte die Flutkatastrophe nach UN-Einschätzung Milliardenschäden für die Landwirtschaft bedeuten. Die Bauern rechnen mit massiven Ernteausfällen. Bis zu 500 000 Tonnen der Weizenernte und ein Siebtel der Baumwollernte seien weggespült worden.

Die Regierung Pakistans scheint überfordert, misstraut aber der Verlässlichkeit des Westens. Umgekehrt hat ­Islamabad größte Mühe, seine Verbündeten im Anti-Terrorkampf von der eigenen ­Redlichkeit zu überzeugen.

Vor diesem Hintergrund schlittert das Land in eine tiefe Krise. Die Zerstörungen werden die wirtschaftlichen und sozialen Probleme zuspitzen. Pakistan wird überleben – aber alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die zarten Ansätze von ziviler, politischer Kontrolle über Büro­kratie und Militär im Schlamm versickern werden.

Im Westen wächst die Sorge, dass die Taliban aus der Hilf­losigkeit der Regierung Kapital schlagen könnten. Vereinzelt mag das stimmen, aber den Extremisten fehlen die Mittel, um die Folgen der Flut effektiv lindern zu können.

Überfrachtete Bürokratie

Die wirkliche Gefahr für Pakistan geht von der lähmenden, ideologisch überfrachteten Bürokratie und dem übermächtigen Militär- und Sicherheitsapparat aus. Diese Institutionen ergriffen nach Beginn der Überschwemmungen die Chance, die ihnen die Katastrophe bietet: Die zivilen Politiker der Regierung werden als unfähig, korrupt und nutzlos dargestellt. Aber Militärs und Verwaltung trifft mindestens ebenso viel Verantwortung für das Elend.

Nur wird es in Pakistan derzeit so nicht dargestellt. Daher steht der politische Gewinner schon jetzt fest: Es sind die Instanzen des Staates, die Interesse an einer schwachen Demokratie haben. Dabei will das Militär zurzeit die Macht nicht übernehmen. Die Generäle genießen es, im Hintergrund die Fäden zu ziehen und ihr Image in den Augen der Pakistaner zu verbessern, während der Ruf der zivilen Politiker durch den Matsch gezogen wird.