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Die amtierende Landesregierung will 36 Standorte für Kohlekraftwerke absichern. Was Schwarz-Rot bringen würde, ist noch ungewiss. Gegner der Projekte warnen vor einer „Koalition der Klimakiller“. Die Grünen befürchten eine Kohle-Bauorgie.

Noch ging es im Koalitionspoker von CDU und SPD in NRW nicht um Details. Und doch protestierte eine Gruppe von Kohlekraftwerks-Gegnern bereits zum Auftakt der Sondierungsgespräche gegen eine „Große Koalition der Klimakiller“. Auch die Stromversorger im Land blicken auf Düsseldorf. Was wird aus dem Eon-Kraftwerk in Datteln? Wie sicher sind die Standorte neuer Meiler? Es ist die Energiepolitik des Landes, die am Ende dieser Legislaturperiode vor einer Neuausrichtung steht.

Ein Entwurf sorgt in diesen Tagen für Aufregung: die Änderung des Energiekapitels im Landesentwicklungsplan (LEP). Es war die noch amtierende schwarz-gelbe Regierungskoalition, die mit diesem Vorstoß und per Kabinettsentscheid im Hauruckverfahren die politischen Grundsätze der Energieversorgung des Landes auf neue Füße stellte. Das Papier hat es in sich.

Der Vorschlag der Landesregierung sieht vor, 36 Stellen im Land als Standorte für Großkraftwerke rechtlich abzusichern. Der Entwurf ist auf dem richtigen Weg, sagen Sprecher der Energiekonzerne RWE und Eon. Deren Grundstücke dürften in den Konzernbilanzen künftig kräftig im Wert steigen. Auch deshalb geißeln Umweltverbände im Entwurf die „Handschrift der Energielobby“. Die Grünen im Landtag sehen in den Plänen einen „energiepolitischen Irrflug“. Was nun kommen könnte, sei eine „Bauorgie von Kohlekraftwerken“.

Die Hälfte der Kraftwerke in NRW ist älter als 31 Jahre

Es war das Eon-Fiasko in Datteln, das den Industriestandort NRW aus den Angeln hob und die Landesregierung in Marsch setzte. Neue Kraftwerksprojekte gelten als unsicher, seitdem das Oberverwaltungsgericht Münster im September 2009 den Bebauungsplan des 1,3 Milliarden teuren Eon-Kraftwerks in Datteln wegen schwerer Mängel für rechtswidrig erklärte. Die Landesregierung fürchtet seitdem eine Klagewelle von Klimaschützern.

Der Protest bedrohte auch die Erneuerung des Kraftwerkparks im Energieland NRW. Das Problem sind betagte Kraftwerke mit zum Teil geringen Wirkungsgraden. Die Hälfte der Kraftwerke in NRW ist älter als 31 Jahre, jeder fünfte Meiler älter als 40 Jahre und befindet sich somit am Ende der wirtschaftlichen Lebensdauer.

Mit dem Bau neuer, effizienterer Kohlekraftwerke aber will die schwarz-gelbe Landesregierung ihre selbst auferlegten Klimaschutzziele erreichen. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) warb zuletzt immer wieder mit dem ökologischen Umbau des Landes. Bis 2020 soll der Kohlendioxid-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 33 Prozent sinken.

SPD lehnt „Lex Eon“ bislang ab

Davon ist das Land weit entfernt. Noch kommen rund 70 Prozent des im Lande erzeugten Stroms aus Steinkohle- oder Braunkohlekraftwerken. Alleine die Braunkohle, bei deren Verstromung deutlich mehr klimaschädliches Kohlendioxid anfällt als in Gas- oder Steinkohlekraftwerken, trägt über 40 Prozent der Stromerzeugung in NRW.

„Alle vier Tage verursacht die Braunkohle in NRW eine Million Tonnen Kohlendioxid“, sagt Reiner Priggen, Fraktionsvize und energiepolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. Sie laufen Sturm gegen die Energiepläne der Landesregierung. „Neue Kohlekraftwerke laufen 50 Jahre. Mit jedem Neubau wird die alte Kohle-Ideologie des Landes zementiert“, so Priggen.

Bricht also mit einer möglichen großen Koalition in NRW die große Zeit der Kraftwerksbauer an? Neben der CDU hat sich auch die SPD stets für neue, effizientere Kohlekraftwerke ausgesprochen. Eine „Lex Eon“ aber, eine Sonderbehandlung für das beklagte Dattelner Kraftwerk, haben die Sozialdemokraten bislang abgelehnt. Wo die Schmerzgrenzen liegen, wird sich in den kommenden Gesprächsrunden zeigen.