Essen. Pakistan war schon vor den verheerenden Überschwemmungen kein Erfolgsmodell. Kriege, Korruption, Militärdikaturen, Stammeskonflikte und Terror haben den südasiatischen Staat zum gefährlichsten Land der Welt gemacht.
Nirgendwo tummeln sich mehr Dschihadisten der islamistischen El Kaida-Terrorzellen oder extremistische Milizen in den paschtunischen Stammesgebieten Süd-Waziristans. Überdies verfügt Pakistan über bis zu 100 atomare Sprengköpfe – unter allen Staaten, die Kernwaffen besitzen, ist Pakistan der instabilste.
Horrorszenarien, die pakistanische Atombombe werde über kurz oder lang islamistischen „Gotteskriegern“ in die Hände fallen, sind zwar übertrieben. Aber Besorgnis erregend ist schon, dass die schwache Zentralgewalt in der Hauptstadt Islamabad nicht die volle politische und militärische Kontrolle über alle Provinzen hat. Vor allem im unübersichtlichen, gebirgigen Grenzgebiet zu Afghanistan haben die dort operierenden Islamisten ihren Aktionsradius in den letzten Jahren ausgeweitet.
Kaschmir-Konflikt
Überdies lodert weiter der politische Streit zwischen Pakistan und seinem ebenfalls nuklear bewaffneten Erzrivalen Indien. Kern des Konfliktes bleibt die ungelöste Kaschmirfrage. Auch wenn sich beide Seiten in letzter Zeit angenähert haben, so zeigten doch die drei Kriege um den Besitz Kaschmirs seit 1949, wie brisant die Beziehungen beider Staaten sind.
Für Indien ist gerade der Kaschmirkonflikt ein Beleg, dass Pakistan seine Gebietsansprüche in Kaschmir mit einem „heiligen Krieg“ durchzusetzen versucht. Schon vor der sowjetischen Invasion Afghanistans kämpften „Gotteskrieger“ im Namen Pakistans – zuletzt richteten Terror-Kommandos der Tehrik-i-Taliban in Mumbay (dem früheren Bombay) im November 2008 ein verheerendes Blutbad an.
Das militärisch wie wirtschaftlich der kommenden Großmacht Indien unterlegene Pakistan fühlt sich durch den übermächtigen Nachbarn nach wie vor in seiner Existenz bedroht. Auf dieses Misstrauen gründet sich die tiefe Furcht der pakistanischen Machteliten, ein stabilisiertes Afghanistan könne sich nach dem Abzug der ausländischen Truppen als Partner an die Seite Indiens schlagen, das in der Tat den Aufbau des vom Bürgerkrieg geschundenen Staates mit erheblichen finanziellen Mitteln fördert. Schon deshalb bleiben die über die Grenze hinweg operierenden aufständischen Taliban eine Trumpfkarte in der Politik des islamischen Pakistan – und vor allem seines berüchtigten Geheimdienstes ISI.
Den amerikanischen Verbündeten ist natürlich nicht verborgen geblieben, dass es unter den Schlapphüten, aber auch im Militär und in der Politik Pakistans klammheimliche Verbündete der Taliban für den Dschihad gibt. Dennoch drängt Washington die schwache Regierung Präsident Asim Ali Zadaris, gegen die Taliban – wie zuletzt mit einer Militäroperation im derzeit wegen der Überflutung völlig von der Außenwelt abgeschnittenen Swat-Tal – vorzugehen. Schon gibt es Stimmen in den USA, die sich anstelle des schlappen und zudem korrupten Regimes in Islamabad wieder die Militärs an der Macht wünschen.
Umstrittene US-Strategie
Aus der Sicht Präsident Barack Obamas gefährdet der grenzüberschreitende Konflikt mit den Taliban den Fortbestand Pakistans. Deshalb zählt der intensivierte Bombenkrieg gegen wirkliche oder vermutete Taliban-Ziele in Pakistan neben der Aufstockung der US-Truppen in Afghanistan zum Kern der neuen amerikanischen Strategie am Hindukusch. Pakistan wird die Hilfe der USA, zumal nach der Hochwasser-Katastrophe, dringlicher denn je brauchen. Doch mit jedem Raketen- oder Drohneneinschlag schwindet die Sympathie mit der westlichen Supermacht.
Die schlimmsten Überschwemmungen seit 80 Jahren werden Pakistans ohnedies am Boden liegende Wirtschaft nicht nur um Jahre zurückwerfen. Die Stunde der Not verheißt auch den radikalen Islamisten weiteren Zulauf – und macht das instabile Pakistan zu einem noch größeren Sicherheitsrisiko.