Karlsruhe. .

Im Kinderpornografie-Prozess gegen den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss hat ein Zeuge den Angeklagten am Freitag entlastet. Er bestätigte Tauss’ Aussage, nur im Kinderporno-Milieu recherchiert zu haben.

Ein Medienwissenschaftler hat den ehemaligen SPD-Politiker Jörg Tauss vor Gericht entlastet. Der Direktor der Alcatel-Lucent Stiftung für Kommunikationsforschung in Stuttgart, Dieter Klumpp, sagte am Freitag als Zeuge vor dem Landgericht Karlsruhe, er kenne Tauss seit 15 Jahren und sei von den Vorwürfen, die er aus den Medien erfahren haben, überrascht gewesen.

Bei einem Abend mit Tauss in dessen Berliner Stammlokal Ende August 2008 sei man auf das Thema Kinderpornografie zu sprechen gekommen. Tauss habe dabei zu ihm gesagt: „Seien Sie froh, dass Sie sich dieses Zeug nicht angucken müssen, da geht es nicht um Lolitas, sondern um scheußlichere Dinge“. Er, Tauss, tue dies als Abgeordneter.

Klumpp sagte, Tauss sei für den Bereich des Internets und der neuen Medien der „mit Abstand der kundigste“ Politiker, den er kenne. Tauss sei einer der ersten Abgeordneten gewesen, die sich einen Internetanschluss im Bundestag legen ließen. Wenn Tauss sich Kinderporno-Material aus anderen als aus dienstlichen Gründen hätte besorgen wollen, hätte Tauss gewusst, wie man sich anonym etwas aus dem Internet herunterlädt.

260 Bilder-Dateien und 40 Videos gefunden

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 56-jährigen Angeklagten vor, zwischen Mai 2007 und Januar 2009 kinderpornografisches und jugendpornografisches Material beschafft, besessen und weitergegeben zu haben. Laut Anklage wurden rund 260 derartige Bilder und rund solcher 40 Videoclips auf dem Handy von Tauss gefunden. Fünf Bilder und ein Video habe er zudem per Mobiltelefon weiterverschickt. Die Materialen wurden bei der Durchsuchung von Tauss’ Abgeordnetenwohnung am 5. März 2009 in Berlin gefunden. Tauss, der medienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion war, rechtfertigt den Besitz des Materials mit seiner Abgeordnetentätigkeit.

In dem Prozess fragte Tauss’ Anwalt Jan Mönikes eine als Zeugin vernommene führende Ermittlerin, ob es richtig sei, dass bei Tauss eine „szeneuntypisch geringe Menge“ an kinderpornografischen Material gefunden worden sei. Die 51-jährige Polizeibeamtin der Landespolizeidirektion Karlsruhe antwortete: „Für mich ist ein Bild schon zuviel.“ Auf Nachfrage sagte sie, sie arbeite „normalerweise nicht im Bereich sexueller Missbrauch“. Die Beamtin ist im Dezernat „Sonderfälle“ und „Organisierte Kriminalität“ der Landespolizeidirektion tätig.

Staatsanwältin Stephanie Egerer-Uhrig betonte, dass die Aufdeckung von Kinderpornografie in Deutschland generell auch von der Zahl der in diesem Bereich ermittelnden Polizeibeamten abhänge. „Wenn man da mehr Mittel und mehr Personal ‘reinsteckt, wird man auch mehr finden.“ Sie sei „froh“, dass es in diesem Bereich eine „Aufstockung bei Polizei und Justiz“ gebe.

Der Prozess wird am nächsten Donnerstag (27. Mai) mit der Vernehmung von zwei weiteren Zeugen fortgesetzt. Darunter ist Sascha H., aus dessen Aussagen in einem Bremerhavener Ermittlungsverfahren die Ermittlungen gegen Tauss resultierten. Noch am selben Tag könnte es zu den Plädoyers von Verteidigung und Staatsanwaltschaft kommen. Am Freitag (28. Mai) dürfte das Urteil verkündet werden. Bei einer Verzögerung könnte das Urteil auch erst am 1. Juni fallen, deutete der Vorsitzende Richter Udo Scholl an. (ddp)