Hamburg.
Umweltminister Norbert Röttgen will eine Laufzeitverlängerung nur mit Beteiligung der Länder im Bundesrat durchsetzen. Die Süd-Länder und Kanzleramtschef Ronald Pofalla sind dagegen für einen Alleingang des Bundes. Doch wann muss der Bundesrat einbezogen werden?
Mit oder ohne Bundesrat? Die Frage einer Beteiligung der Länderkammer an der Entscheidung über längere Laufzeiten für Atomkraftwerke erhitzt die Gemüter. Ob deren Zustimmung nötig ist, darüber wird zwischen Regierung, Opposition und Bundesländern derzeit heftig diskutiert.
Generell ist Kernkraft Bundessache
Ob der Bundesrat einer Laufzeitverlängerung zustimmen muss, ist dabei nicht pauschal zu beantworten und hängt von der Formulierung des geplanten Gesetzes ab. Laut Grundgesetz liegt die Regelung der „Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken“ sowie „die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen“, generell in der Kompetenz des Bundes. Mitspracherechte der Länder würden bei Grundsatzentscheidungen zur weiteren Nutzung der Atomkraft - ähnlich wie schon bei der Entscheidung über den rot-grünen Atomausstieg vor Jahren - zunächst also gar nicht berührt.
Die Sache hat allerdings einen Haken: Die Länder üben stellvertretend für den Bund die Aufsicht über die Atomkraftwerke aus. Auftragsverwaltung nennt sich das Prinzip, das auch in anderen Bereichen angewandt wird. Das Grundgesetz sieht in solchen Fällen vor, dass die Ländern dann mitentscheiden dürfen, wenn die vom Bund angestrebten Änderungen bei ihren Verwaltungen zu höheren Kosten führen oder die inhaltlichen Leitlinien ihrer Arbeit verändert werden.
Bei neuen Sicherheitsauflagen muss der Bundesrat ran
Dementsprechend gehen Experten von von einer Zustimmungspflicht für das Gesetz über eine Verschiebung des Atomausstiegs aus, wenn die Regierung parallel zur Laufzeitverlängerung schärfere Sicherheitsauflagen anordnet oder ältere Meiler anderweitig nachrüsten lassen wollte, wie es Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) bereits vorschlug. Das wäre dann eine inhaltliche Vorgabe an die Länder, die die Umsetzung der Beschlüsse anschließend kontrollieren müssten.
Umstritten bleibt eine weitere Argumentation, mit der die Länder versuchen könnten, doch noch ein Mitspracherecht bei der Frage der Laufzeitverlängerungen zu erzwingen. So könnten sie argumentieren, bereits die Erhöhung der Reststrommengen der Reaktoren und die daraus resultierende längere Betriebsdauer verursache höhere Verwaltungskosten, weil ihre Aufsichtstätigkeit damit über den ursprünglichen gedachten Zeitpunkt hinaus verlängert werde.
Schleswig-Holsteins Justizministerium hält Länder grundsätzlich für zuständig
Juristen des wissenschaftlichen Diensts des Bundestags kamen laut Medienberichten in einer Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass die bloße Erhöhung der Reststrommengen eine „lediglich quantitative Veränderung der Verwaltungsaufgabe“ bedeute, und verneinten daher eine Zustimmungspflicht.
Das sieht aber beispielsweise die Atomaufsicht im Justizministerium des schwarz-gelb regierten Schleswig-Holsteins anders. „Grundsätzlich“ sei ein Gesetz zur Laufzeitverlängerung zustimmungspflichtig, weil die Länder dadurch „für einen weiterreichenden Zeitraum als bisher mit Vollzugsaufgaben belastet werden“, erklärte der Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit und Strahlenschutz, Wolfgang Cloosters.
Dass der unter Rot-Grün beschlossene Atomausstieg damals nicht der Zustimmung der Länder bedurfte, taugt nach Ansicht von Cloosters auch nicht als Argument für eine Zustimmungsfreiheit bei der Verlängerung der Laufzeiten. Da die Länder damals lediglich von Vollzugsaufgaben entlastet wurden, habe verfassungsrechtlich eine ganz andere Ausgangslage geherrscht als jetzt, sagte er am Montag der Nachrichtenagentur AFP. (afp)