Berlin.
Die Spardebatte ist eröffnet. Als erster hat sich CDU-Vize Roland Koch mit Vorschlägen aus der Deckung gewagt und damit sofort breiten Widerstand provoziert. Der hessische Ministerpräsident hatte geplante Bildungs- und Betreuungsausgaben in Zweifel gezogen.
Zwischen Teilen der Union und FDP ist ein heftiger Streit darüber entbrannt, ob die Koalition auch bei der Kinderbetreuung und der Bildungspolitik sparen soll. „Das ist das Falscheste, was man machen kann“, sagte die familienpolitische Sprecherin der FDP, Miriam Gruß, der WAZ-Mediengruppe.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch hatte in einem Interview vorgeschlagen, aus Kostengründen die Betreuungsplatzgarantie für unter Dreijährige ab 2013 zu kippen. „Mir fehlt jedes Verständnis für diesen Vorschlag“, sagte Gruß weiter. „So eine Politik ist rückschrittlich, das wollen wir nicht.“ Sie führe dazu, dass entweder die Mutter oder der Vater zu Hause bleiben müsse, um sich um das Kind zu kümmern. „Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz wird kommen“, sagte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Investitionen in Kinder bezeichnete sie als Investitionen in die Zukunft. „Wenn wir diese Zukunft nicht positiv gestalten wollen - wofür sollen wir dann überhaupt sparen?“, meinte Schröder.
Koch will Erhöhung der Bildungsausgaben verschieben
Dass der Bund sparen muss, daran ließ Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag keinen Zweifel. Das Land stehe vor großen Sparanstrengungen. Die Grundzüge würden in den nächsten vier Wochen deutlich.
In diesem Kontext hatte Koch auch gefordert, die Vereinbarung von Bund und Ländern, bis 2015 zehn Prozent des Bruttoninlandproduktes in Bildung und Forschung zu stecken, um einige Jahre zu verschieben. Den Zeitrahmen, um diese Steigerung zu erreichen, werde man nicht einhalten können. „Die Schulen und Hochschulen benötigen dringend Geld, um unsere jungen Menschen qualitativ hochwertig auszubilden“, warnte dagegen der Präsident der Kultusministerkonferenz, Ludwig Spaenle: „Wer nicht in Bildung investiert, verschläft die Zukunft.“
Auch der stellvertretende Fraktionschef der Union, Michael Kretschmer (CDU), wehrte sich gegen Kürzungen im Bildungsbereich. „Bildung ist mit Sicherheit das Wichtigste für Deutschland“, sagte Kretschmer dieser Zeitung. Er mahnte die Länder, sich an die Vereinbarungen vom Bildungsgipfel zu halten. „Und zwar aus eigenem Interesse.“ Doch gerade in den unionsgeführten Ländern wachsen offenbar die Zweifel an der Notwendigkeit von steigenden Bildungsausgaben – da die Studentenzahlen sinken.
Özdemir wirft Koch Profilierung vor
Grünen-Chef Cem Özdemir warf Koch vor, das Profil der CDU auf dem Rücken von Kindern und Alleinerziehenden schärfen zu wollen. „Nach der Wahlniederlage seiner CDU in NRW will Roland Koch augenscheinlich das konservative Profil seiner Partei reaktivieren, indem er ausgerechnet bei der Familien- und Bildungspolitik den Rotstift ansetzt“, sagte Özdemir der WAZ-Gruppe. „Kinder sollen nach der Vorstellung von Herrn Koch wieder vor allem zuhause betreut werden. Was das insbesondere für viele Alleinerziehende bedeutet, die gerne arbeiten würden, ist ihm offenkundig gleichgültig“, sagte Özdemir weiter. Wer den Kommunen zuerst die Luft zum Atmen nehme und nun den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für unter dreijährige Kinder streichen möchte, habe das Votum der Bürgerinnen und
Bürger in NRW nicht begriffen. „Wer jetzt meint, bei der Zukunft unserer Gesellschaft den Roststift ansetzen zu müssen, der hat die Botschaft der Wähler vom vergangenen Sonntag an CDU und FDP nicht verstanden“, sagte auch die stellvertretende Parteichefin der SPD, Manuela Schwesig.