Brüssel/Berlin. .
Ist es ein Fingerzeig? Nein, versichern sie im Kanzleramt. Schon nach der Geschäftsordnung müsse jetzt Thomas de Maizière ran. In der Materie sei der Innenminister sowieso. Er habe schließlich in den Koalitionsgesprächen die Finanzpolitik ausgehandelt. Genau deswegen wird sein Name immer wieder gehandelt: als Nachfolger von Wolfgang Schäuble.
Seit gestern sprießen die Spekulationen aufs Neue, weil de Maizière nach Brüssel hinterher flog, um Schäuble bei den EU-Beratungen über die Griechenland-Hilfe zu vertreten. Der Finanzminister musste seine Teilnahme absagen und in ein Brüsseler Klinikum gebracht werden. Am Samstag hatte Schäuble ein neues Medikament genommen. Man vermutet, dass er es nicht verträgt. Das Problem ist nur, dass er seit einem Vierteljahr angeschlagen ist. Nach einem Eingriff wollte die OP-Wunde nicht verheilen. Es wurde spekuliert, dass sein Immunsystem streike. Mit einem Satz: Dass der querschnittsgelähmte Minister nicht fit genug sei, um sich derzeit als Krisenlenker zu behaupten. Sind die Wangen nicht eingefallen, fällt das Sakko nicht schlapp von den Schultern, war sein Händedruck früher nicht fester und hatte er nicht Aussetzer, mal im Kabinett, mal vor einem Ausschuss? Wer sie sucht, der findet Anzeichen dafür, dass er angeschlagen ist. Einerseits.
Andererseits war der Mann im Rollstuhl zuletzt durchgestartet: Pressekonferenzen, Interviews, zwei Reisen nach Brüssel, ein 1A-Auftritt im Bundestag. Wer ihm jüngst begegnete, saß einem Mann gegenüber, der weder politisch noch intellektuell nachgelassen hat. Im Gegenteil. Es gilt als sicher, dass Schäuble selbst bestimmt, ob er aufhört. Kanzlerin Angela Merkel würde ihn nicht bedrängen. Die Frage ist nur, was Zwischenfälle wie in Brüssel dem 67-Jährigen zu denken geben. Gerade jetzt, in der Griechenland-Krise, nach Steuerschätzung und NRW-Wahl ist ein Finanzminister im Vollbesitz seiner Kräfte ge-fragt. Er soll einen harten Sparkurs durchsetzen, die FDP in der Steuerpolitik zur Räson bringen und im Bundesrat ausloten, was mit den Ländern machbar ist. Wenn es ihm zu viel wird und er gehen sollte, bietet sich als Nachfolger neben de Maizière Hessens Ministerpräsident an. In Unions-Kreisen heißt es über Roland Koch: „Der will weg.“ Nach Berlin.