Washington. .

Die Damen außer Haus – da kann man es mal krachen lassen. Die Hütte voller richtiger Kerle, alle einen guten Kopf größer als der ohnehin nicht gerade klein geratene Gastgeber – das waren Momente, in denen Barack Obama sich einmal so richtig austoben konnte.

Um Schonung hatte er vorher nicht gebeten. Wie viele Körbe der Präsident beim Geburtstags-Basketballspiel mit den Stars der US-Profiliga erzielte, wie viele er in dieser doch eher ungleichen Begegnung womöglich verschuldete, fällt unter die Kategorie Staatsgeheimnis. Dass die NBA-Stars um Kobe Bryant sich Mühe gaben, den frisch 49-jährigen Präsidenten nicht allzu alt aussehen zu lassen, lässt sich allerdings vermuten. Soviel Rücksichtnahme ist ansonsten eher selten in diesen schwül-heißen Sommerwochen, in denen das politische Washington vor allem schon auf den Herbst blickt. Im November wird das Parlament zu großen Teilen neu gewählt. Und alle Auguren gehen davon aus, dass die Klatsche gegen das Präsidentenlager heftig ausfallen wird.

Untergangsstimmung in den eigenen Reihen

Mies bis defätistisch ist die Stimmung selbst in Obamas engstem Zirkel. Dass Präsidentensprecher Robert Gibbs sich in aller Öffentlichkeit über die hohe Wahrscheinlichkeit ausließ, dass die Demokraten bei den Novemberwahlen ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren werden, ließ die eigenen Abgeordneten vor Wut erbeben und bei Nancy Pelosi die Zornesadern schwellen. Die temperamentvolle Kalifornierin ist die Chefin der größten Kammer des US-Parlaments. Wut entbrannt tauchte sich nach Gibbs´ Bemerkungen im Weißen Haus auf, um sich bei Obama über die Schwarzseherei der eigenen Truppen zu beschweren. Dabei trägt auch der Chef mit galligem Humor selbst zur Untergangsstimmung bei. „Es wäre wohl besser, wenn ich mich nicht mit euch sehen ließe“, scherzte Obama unlängst im Kreis einiger Abgeordneter, die um ihre Wiederwahl bangen. Und mit bitterem Sarkasmus hatte der Präsident noch hinzugesetzt: „Ich bin gewiss der beste Präsident mit nur einer Amtszeit.“ Als galliger Scherz war auch das gemeint. Doch seinen Zuhörern blieb das Lachen eher im Hals stecken.

So tief steckt Obama im Umfragekeller, das fast schon ein Wunder nötig scheint, um ihn da wieder rauszuholen. „Yes we can“ – der mitreißende Schlachtruf aus der Wahlkampfzeit ist nur noch eine matte Erinnerung, ähnlich blass wie die zunehmend vergilbten Obama-Wahlaufkleber auf den Stoßstangen der Washingtoner Autos. Dabei ist Obamas Bilanz nach 20 Monaten im Amt nicht einmal schlecht. Und jeder hämische Vergleich mit dem moralisierenden, aber politisch glücklosen Jimmy Carter hat sich längst erledigt. Eine Gesundheitsreform, an der sich noch alle Präsidenten vor ihm mächtig verhoben hatten, ist nach vielem Krach gesetzlich unter Dach und Fach. Der zügellosen Gier der Wall Street sind Zügel angelegt. Der Abzug aus dem Irak läuft. In Afghanistan steht zumindest ein Datum für den Anfang vom Ende der amerikanischen Truppenpräsenz im Raum. „Können Sie sich vorstellen, was für ein Feuerwerk Bill Clinton daraus gemacht hätte, wenn er auch nur eines dieser Ziele erreicht hätte?“, seufzte unlängst ein Obama-Berater in der Internet-Zeitung „Politico“. Obama hingegen schafft es nicht mehr, seine Erfolge und seine Botschaften unters Volk zu bringen. „Warum Obama verliert, wenn er gewinnt“, betitelte „Politico“ die paradoxe Lage Obamas. Was immer er macht - es wird, selbst im eigenen Lager, gegen ihn verwendet. „Wir haben den ersten schwarzen Präsidenten und wir stehen bereit, ihn k.o. zu schlagen. Was hat er uns getan?“, fragte selbstkritisch Al Sharpton, einer der einflussreichsten schwarzen Prediger auf Amerikas nationaler Bühne.

Obamas Spitzenleute nehmen ihren Hut

Wofür steht eigentlich Obama? Selbst in den eigenen Reihen ist die Frage bis heute umstritten. Die Linken werfen ihm vor, viel zu zögerlich auf die Wirtschaftskrise, die für viele Amerikaner längst zur Existenzkrise geworden ist, zu reagieren. Noch mehr Geld hätte er in die Hand nehmen müssen, um die Konjunktur anzukurbeln und neue Jobs zu schaffen. Die Moderaten wiederum halten ihm derweil vor, mit exzessiven Staatsausgaben die Bank namens US-Haushalt zu sprengen. Dass ausgerechnet in diesen angespannten Zeiten, in der die Arbeitslosigkeit trotz anspringender Konjunktur bei knapp zehn Prozent wie einbetoniert erscheint, nach Haushaltschef Peter Orszag auch noch Obamas Top-Wirtschaftsberaterin Christina Romer von der Fahne ging, erscheint da wie ein Menetekel. Zwei der vier Spitzen-Leute aus Obamas engstem Kreis der Wirtschaftsexperten nehmen binnen weniger Wochen ihren Hut – „dass dies ausgerechnet in dieser Zeit mit all ihren schlechten Nachrichten geschieht, verstärkt nur die Unsicherheiten über Obamas wirtschaftspolitischen Kurs“, meinte David Rothkopf, ein früherer Clinton-Zuarbeiter.

Dass Obama die personellen Lücken wiederum mit Leuten auffüllt, die schon unter Bill Clinton dienten, sorgt im gehässigen Washington für Spott an den Theken. Obamas Entscheidung, ausgerechnet Clintons einstigen Etatdirektor Jack Lew als Eratz für den abtrünnigen Orszag auf den alten Posten zu berufen, wertete die „Washington Post“ ironisch als wichtige Etappe auf dem Weg zu einer dritten Amtszeit Clintons. Dutzende früherer Clinton-Helfer hatte Obama ohnehin schon zu Beginn seiner Amtszeit Anfang letzten Jahres um sich versammelt. Inzwischen sind noch eine ganze Reihe weiterer Veteranen aus der Clinton-Ära dazu gestoßen, die aus Sicht der Demokraten umso heller strahlt, je weiter sie zurückliegt. Und selbst der alte Chef ist wieder im Rennen, als Berater Obamas, wie man neue Jobs schafft. „Der amtierende Präsident ist der Herr links“, schrieb die „Post“ unter ein Foto, dass Obama und Clinton im vertraulichen Gespräch zeigte. Obamas Not ist offenkundig groß.

Blick nach rechts

Ein Stück weit kann der Präsident froh sein, dass der oppositionelle Gegenwind im Ferienmonat August, wenn sich die Abgeordneten bei so genannten Town-Hall-Meetings ihren Wählern stellen, bislang eher einem vergleichsweise lauen Lüftchen ähnelt. Im letzten Jahr hatte es im Streit um die Gesundheitsreform noch mächtig lauten Krawall bis hin zu Prügeleien gegeben, den vor allem die konservative „Tea Party“ angeführt hatte. Ihre Rechnung, in diesem Jahr die Debatte um die Einwanderungspolitik und den künftigen Status der - geschätzt - elf Millionen Illegalen im Land ähnlich hoch zu spielen, ging auf den ersten Blick bislang noch nicht auf. Doch unterschwellig ist die Saat, die im letzten Jahr gesät wurde, längst aufgegangen. Die „Tea Party“ hat mächtig an Einfluss gewonnen und zwingt alle Kandidaten für die Wahl im November, ob Republikaner oder Demokraten, nach rechts zu schwenken. Selbst Hauptstadt-Kreise aller politischen Farben blicken inzwischen bang auf Senats-Vorwahlen im fernen Colorado, wo alle vier Kandidaten – zwei Demokraten, zwei Republikaner – sich eifernd darin überboten, ihre Abneigung gegen das Hauptstadt-Establishment und die „Verschwendung von Steuergeldern“ zum Programm zu erheben. Der Ausgang der Wahl in dieser Woche gilt als Test, wie viel Wählerfrust sich bei der Wahl in drei Monaten tatsächlich Bahn brechen wird.

Das übrige Amerika, das die politischen Grabenkämpfen und Blockaden in Washington ohnehin zunehmend angewidert verfolgt, hat im Moment freilich andere Sorgen. „Die Leute haben Häuser, die sie nicht verkaufen können, für die sie Kredite bezahlen, die höher sind, als die Häuser noch wert sind. Sie haben Angst um ihren Job, so sie noch einen haben“, meinte Bushs letzter Pressesprecher Dana Perino zugespitzt. Tiefer Frust und tiefe Ängste haben sich in der Tat seit Beginn der Rezession Ende 2007 in die amerikanische Seele gefressen. Gleich elf Bücher erscheinen in diesen Wochen, die sich mit dem angeblichen Absturz der amerikanischen Mittelklasse befassen. Der ungebrochene Optimismus, der Amerika so lange prägte, beginnt sich aufzulösen. Obama, mit dem sich so viele Hoffnungen verbanden, hat dem im Moment nichts entgegen zu setzen.