Düsseldorf. .
Kurz vor Ostern glaubte Jürgen Rüttgers noch, die größte Vertrauenskrise in seiner fast fünfjährigen Amtszeit als NRW-Ministerpräsident überwunden zu haben - und die Image-Reparaturen sollten beginnen. Nun allerdings drohen erneut Ungemach wegen einer Parteien-Finanzierung.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte die Offerten der NRW-CDU an Unternehmer, für 6000 Euro ein persönliches Gespräch mit dem Ministerpräsidenten zu vermitteln, als „selten dämlich“ verurteilt. 80 Prozent der Menschen nahmen laut Umfrage Rüttgers nicht ab, dass er als CDU-Landeschef von diesen Werbebriefen nichts gewusst haben wollte. Alle Medien hatten das Thema breit ausgeschlachtet. Rüttgers Sympathiewerte rauschten in den Keller. Doch jetzt schien zur „Rent-a-Rüttgers“-Affäre alles gesagt. Die Reparaturarbeiten am angekratzten Image konnten beginnen.
Doch die Tiefschläge wollen nicht enden. Eine Woche vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen rutscht die Landes-CDU mit Rüttgers an der Spitze in eine Finanzaffäre, und erneut steht auch der Vorwurf der Unglaubwürdigkeit mit im Raum. Vor zwei Wochen wies NRW-CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid den Verdacht, die als „unabhängig“ deklarierte Pro-Rüttgers-Initiative „Wähler für den Wechsel“ sei in Wahrheit 2005 von der CDU mit gesteuert worden, noch als „verleumderische Unterstellung“ scharf zurück. Jetzt schreibt der „Spiegel“, dass die CDU die angeblich „unabhängige“ Propaganda für Rüttgers selbst angeschoben hat.
Juristisches Zurückrudern
Danach zahlte die NRW-Zentrale der Partei einer Frankfurter Werbeagentur 40 000 Euro, um den Aufbau dieser Gruppe zu organisieren. Plötzlich wird Rüttgers „General“ kleinlaut. Von „Verleumdung“ ist keine Rede mehr. „Man kann juristisch durchaus die Ansicht vertreten, dass die Praxis bedenklich war“, räumt Krautscheid gegenüber dem Magazin ein. „Damals hat man geglaubt, das gehe so; heute muss man das juristisch vielleicht anders sehen.“
Die Verteidigungslinie von Mitte April, die NRW-CDU habe sich im Zusammenhang mit der Wählerinitiative „völlig korrekt verhalten“, ist zusammengebrochen. Krautscheid rechnet bereits fest mit staatlicher Sanktionierung in Form einer Strafzahlung – obwohl Bundestagspräsident Lammert seine Prüfung, ob ein Verstoß gegen das Parteiengesetz vorliegt, noch gar nicht abgeschlossen hat.
Besser könnte die Vorlage für die politischen Gegner kaum sein. „Jürgen Rüttgers und die NRW-CDU stecken mitten im Sumpf illegaler Parteienfinanzierung“, so sieht es Michael Groschek, Generalsekretär der NRW-SPD. Auch die Grünen schonen Rüttgers und seine CDU nicht. „Das ist eine richtige Parteispendenaffäre“, urteilt Landesvorsitzende Daniela Schneckenburger. „Die Law-and-Order-Partei nimmt es bei der Parteien-Finanzierung mit sich selbst nicht so genau“, wirft Volker Beck, Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, der CDU vor und greift Rüttgers persönlich an. „Er hat von Anfang an gelogen. Deshalb gehört er in die Opposition.“
Was wusset Rüttgers vom Skandal um Asse?
Damit nicht genug. Parallel knöpft sich der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) Rüttgers wegen des Skandals um das Atommüll-Endlager Asse vor. In seiner Funktion als Bundesforschungsminister (1994 - ´98) sei Rüttgers sehr wohl über den folgenschweren Wassereinbruch informiert worden, behauptet Trittin unter Berufung auf alte Unterlagen. „Wesentliche Entscheidungen“ seien unter Rüttgers’ Verantwortung getroffen worden, sagt Trittin. Sein Fazit: „Für das Asse-Desaster trägt Rüttgers als ehemaliger Forschungsminister eine große Mitverantwortung.“
Der Angegriffene tobt. „Die Vorwürfe entbehren jeder Grundlage“, dementiert Rüttgers über seine Staatskanzlei. Hier stehen Aussage gegen Aussage. Den früheren Bundesforschungsminister erwartet jedoch eine Vorladung vom niedersächsischen Landtag: Rüttgers muss zur Befragung in den Asse-Untersuchungsausschuss.
Lang und vielfältig sind die Schatten der Vergangenheit. Wenige Tage vor der Abstimmung über die Politik der schwarz-gelben Regierung, die Rüttgers selbst zur „Schicksalswahl“ erklärt hat, haben sie den strahlenden Wahlsieger von 2005 eingeholt.