Brüssel. .
Die Bundeswehr soll immer mehr leisten, gleichzeitig bekommt sie immer mehr Probleme. Eines davon: Ihre neuen Panzerwagen sind gerade mal bestellt und haben sich doch schon als zu schwach erwiesen.
Im Nato-Hauptquartier in Brüssel bringt Eric Tremblay die Sache mit wenigen Worten auf den Punkt. 2010, sagte der Sprecher der von 48 Nationen bestückten Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (Isaf), wird das „Jahr der Entscheidung“. Ohne „messbare Ergebnisse“, ohne „belastbare Indizien für eine nachhaltige Stabilisierung des Landes“, ohne, dass es gelingt, die „Aufständischen unumkehrbar von der normalen Bevölkerung zu trennen und die Menschen wirksam zu schützen“, so der kanadische Brigadegeneral, werde der gehende Einsatz wohl immer weniger durchzuhalten sein.
Die Menschen schützen?
Im nordafghanischen Kundus hat die Bundeswehr mehr als genug damit zu tun, sich selbst zu schützen. Sieben tote Soldaten binnen zwei Wochen, ein Dutzend zum Teil schwer Verletzte, legen den Verdacht nahe, dass die Truppe dieser Aufgabe nicht ausreichend gewachsen ist.
„Präsenz in der Fläche“ klingt gut, ist aber gefährlich
Mag der exakte Ablauf der stundenlangen Gefechte in der Provinz Baghlan, 100 Kilometer vom Bundeswehrstandort Kundus entfernt, auch am Tag danach noch immer nicht ganz klar sein – für den wider Willen immer mehr zum Kriegsminister werdenden Verteidigungsminister und die Kriegs-Kanzlerin ergibt sich ein brenzliges Szenario. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) war es, der bei der jüngsten Verlängerung des Mandats im Bundestag verkündete, die unter dem Verdacht der Einigelei stehende Bundeswehr werde bald häufiger ihre Feldlager in Mazar-I-Scharif, Kundus und Faisabad verlassen und gemeinsam mit afghanischen Kandaks (Bataillonen) „Präsenz in der Fläche“ zeigen. Mit dem Ziel, die einheimischen Militärs realitätsnäher auszubilden und gleichzeitig die Taliban wirksamer zu verdrängen. Eine Linie, hinter der sich auch Angela Merkel versammelte.
Bitterböse Ironie des Schicksals. Bei exakt einer solchen Operation kam es am Donnerstag zur Katastrophe. Die durch eine Sprengfalle und Mörserbeschuss gefallenen Soldaten stammten aus einer Berater-Einheit, einem so genannten „Operational Mentor and Liaison Team“ (OMLT), das afghanische Einheiten im Einsatz begleitet; „training on the job“, sagt man neudeutsch in der Arbeitswelt dazu. Kritiker wenden seit langem ein: Das Modell des so genannten „Partnering“, bei dem deutsche Soldaten ihre afghanischen Kollegen im Feld sozusagen an die Hand nehmen, bis sie bald selber laufen können, wird die Verlustrate für die Truppe gerade in unwegsamen, schwer kontrollierbaren Gegenden erhöhen. Die Taliban warten schon. Im Bundestag wurde und wird darüber allenfalls kleinlaut am Rande gesprochen.
Der Bombenabwurf von Kundus hemmt die Deutschen
Versuche interessierter Kreise wohl aus dem Verteidigungsministerium, die Tragik vom Donnerstag mit einem „Zufallstreffer“ zu erklären, wirken vor dem Hintergrund der Lage im Raum Kundus absurd. Nato-Offizielle bestätigten gestern auf WAZ-Anfrage in Brüssel, dass „mobile Taliban-Gruppen“ sehr gezielt Anschläge auf Nachschub-Routen im Norden unternehmen, auch um die in Planung stehende Groß-Offensive der Amerikaner im südlichen Kandahar zu behindern. Dass sie dies häufiger tun und dabei „selbstbewusster, militärischer und besser ausgerüstet vorgehen“, liege gewiss auch daran, dass nach dem fatalen Bombenabwurf der Bundeswehr nahe Kundus im September 2009, als 140 Menschen, darunter auch Zivilisten starben, „so bald nicht mehr mit flächendeckenden Vergeltungsschlägen der Isaf zu rechnen ist“.
Dem Umstand, dass die Taliban sich die militärische Zurückhaltung der Deutschen zu Nutze machen, versucht Berlin im Eiltempo durch punktuelle Aufrüstung beizukommen: mehr und besser gepanzerte Fahrzeuge, durchschlagskräftigere Waffen mit größerer Reichweite. Wie es um die Verlässlichkeit noch so intensiver Schutzmaßnahmen steht, zeigt der Zwischenfall in Baghlan. Drei Soldaten starben in einem „Eagle Typ IV“. 60 solcher Fahrzeuge, die, jeweils vier Tonnen schwer, Minen und leichter Munition standhalten sollen, hat die Bundesregierung just beim Schweizer Hersteller Mowag bestellt. So viel zur Sicherheit.