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Ganz ohne Steuerung geht es nicht, erkannte Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP). Und da unter Ärzten das platte Land eher unbeliebt ist und es sie in die lukrativeren Großstadtpraxen zieht, will Rösler politisch gegensteuern. „Wo ein Mangel an Ärzten festgestellt wird, muss flexibler reagiert werden“, sagte er der „FAZ“.
Um dem drohenden Ärzteschwund zu begegnen, fordert Rösler wie zuvor bereits seine Parteikollegin Ulrike Flach eine Abschaffung des scharfen Numerus clausus und mehr Medizinstudienplätze. Denn wer Arzt werden will, benötigt ein Super-Abitur oder einen langen Atem. Verfehlt ein Abiturient in NRW den Notendurchschnitt von derzeit 1,1, muss er jahrelange Warteschleifen drehen, bis er einen Platz zugeteilt bekommt. 37 337 Bewerbungen zählte die ZVS im Wintersemester 2009/10 bundesweit, dem standen 8512 Plätze an den 37 medizinischen Fakultäten gegenüber. „Wer einen Abiturschnitt von 2,5 hat, muss mehr als zehn Semester auf einen Studienplatz warten“, sagt Hans-Peter Kaluza von der ZVS. Also fünf bis sechs Jahre.
Zugleich fehlen in den Kliniken und vor allem auf dem Land Mediziner. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund befürchtet, dass es 2014 eine Lücke von 10 000 Medizinern geben könnte. Zudem wechseln nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) 40 Prozent der Mediziner nach ihrem Studium in die Wirtschaft. Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes: „Die Zahl der freien Stellen in den Krankenhäusern stieg von 4000 im Jahr 2008 auf 5000.“ Es findet sich einfach kein Personal.
Was liegt da näher, als die Hürden vor einem Medizinstudium abzubauen, den Numerus clausus (NC) abzuschaffen und die Zahl der Studienplätze zu erhöhen? Statt der Fixierung auf die Zeugnisnote müssten andere Kriterien wie etwa Auswahlgespräche, Aufnahmetests oder Qualifikationen im Gesundheitsbereich eine größere Rolle spielen. Mit den für die Universitäten zuständigen Ländern und mit Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) habe er bereits gesprochen, sagte Rösler. Er sei auf Zustimmung gestoßen.
Neu ist, dass Rösler Anreize schaffen will, um Medizinern das Landleben schmackhaft zu machen. So sollen Bewerber bevorzugt einen Studienplatz erhalten, wenn sie bereit sind, sich in unterversorgten Gebieten niederzulassen. Man könne 20 bis 30 Prozent der Plätze für Bewerber reservieren, die sich verpflichten, sich dort anzusiedeln, schlägt der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn vor.
Die ZVS und die Hochschulen rätseln indes darüber, wie Rösler seine Pläne umsetzen will. Zwar könnten sich die Hochschulen prinzipiell vorstellen, den NC zu lockern, doch dann müsse mehr Lehrpersonal eingestellt werden. Dies ist nicht Sache des Bundes und fällt demnach nicht in Röslers Zuständigkeitsbereich, sondern ist Aufgabe der Länder und der Universitäten. „Der Numerus clausus ist ein Resultat von Angebot und Nachfrage“, erklärt Kaluza. „Wird der NC gesenkt, muss man deutlich mehr Studienplätze zur Verfügung stellen.“ Um einen spürbaren Effekt zu erzielen, müsste die Zahl um mehrere tausend steigen, meint Kaluza. Die angepeilten 100 neuen Medizinstudienplätze in NRW, die Wissenschaftsminister Pinkwart (FDP) kürzlich ankündigte, seien kaum mehr „als ein Tropfen auf den heißen Stein“.
Auch die Umsetzung der „Landarztquote“ bei der Vergabe der Studienplätze werfe Fragen auf. So sind die Auswahlkriterien noch unklar. Überdies käme es durch die neue Quote zu einem stärkeren Verdrängungswettbewerb unter den Bewerbern. Kaluza: „Das Leid der Abgelehnten wird nur verschoben.“