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Das US-Militär gerät durch ein Video, das die Internet-Plattform „Wikileaks“ veröffentlicht hat, schwer unter Druck.

Die bislang geheimen Aufnahmen, deren Echtheit vom Pentagon bestätigt wurden, zeigen, dass die Besatzungen von zwei Kampfhubschraubern im Juli 2007 in Bagdad ein Blutbad unter augenscheinlich unbewaffneten Zi­vilisten anrichteten. Etwa ein Dutzend Menschen starben, darunter zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters. Unter den Verletzten sind auch zwei Kinder.

Die schwarz-weißen Bilder sind schwer verdaulich: Durch die Perspektive der Zieloptik – inklusive Fadenkreuz – ist zu erkennen, wie sich die Hubschrauber einer Gruppe Menschen nähern. Der mitgeschnittene Funkverkehr offenbart, dass die Soldaten sie für Aufständische halten, unter anderem, weil sie einen Fotoapparat mit einem Maschinengewehr verwechseln. Dabei zeigt die Gruppe von Männern keine Anzeichen von Hektik. In aller Ruhe spazieren sie durch die Straßen.

„Schau dir die toten Bastarde an“

Wenig später eröffnen die Hubschrauber das Feuer. Man sieht Körper zu Boden fallen, durch die Wucht der Geschosse wirbelt eine Staubwolke auf. Als die Soldaten wieder freie Sicht haben, sind sie zufrieden. „Nice“ sagt einer mehrmals über Funk – und meint mit „nett“ die Toten. Schlimmer noch: „Schau dir die toten Bastarde an“, tönt es über den Bordfunk.

Einige Sekunden darauf entdecken die Schützen einen Verletzten, der verzweifelt versucht, in Sicherheit zu robben. Die Hubschrauberbesatzungen können es augenscheinlich gar nicht erwarten, erneut zu schießen. „Alles was du tun musst, ist, eine Waffe aufzuheben“, sagt einer der Schützen. Soll heißen: Die Waffe wäre der gewünschte Anlass, um erneut das Feuer zu eröffnen.

Ungeduldig warten die Soldaten auf die Feuererlaubnis

Kurze Zeit später ist es soweit. Als ein Lieferwagen im Bild erscheint und zwei Männer herausspringen, um den verwundeten Mann zu bergen, bitten die Helikopter-Besatzungen erneut um „Permission to engage“ – um die Erlaubnis zu schießen. Weil sie ihnen nicht zügig genug erteilt wird, ärgern sich die Soldaten. Das Kommando „Feuer frei“ endet für die Helfer und den Verletzten tödlich. Die Tatsache, dass zwei Kinder bei dem Angriff verletzt werden, kommentieren die Männer in der Hubschraubern lapidar mit dem Satz „Ist die Schuld der Iraker, Kinder mit zum Gefecht zu nehmen.“

„Für den Beschuss des Wagens gibt es keine Entschuldigung“, so Wikileaks-Sprecher Daniel Schmitt auf WAZ-Anfrage. „Die unbewaffneten Zivilisten, die den Verletzten retten wollen, sind die einzigen, die einen Funken von Menschlichkeit zeigen, und sie bezahlen dafür mit ihrem Leben.“ Die verletzten Kinder hätten bis heute Granatsplitter im Körper, so Schmitt. Er ist der Meinung, dass die bislang veröffentlichten Aufnahmen von den Kriegen im Irak und in Afghanistan „weichgespült“ seien und drastische Aufnahmen, wie jene aus Bagdad, zu selten gezeigt würden.

Schwerer Schlag für das Pentagon

Die Veröffentlichung des Videos ist ein schwerer Schlag für das US-Militär. Unmittelbar nach dem Massaker hatte man behauptet, dass die Helikopter „fraglos in ein Gefecht mit feindlichen Kräften verwickelt waren.“ Nun bemüht sich das Pentagon um Schadensbegrenzung: Die Reporter hätten sich nicht als solche zu erkennen gegeben.

Die Nachrichtenagentur Reuters verzichtete in einer Stellungnahme auf Kritik am US-Militär. „Der Tod der Mitarbeiter sei tragisch und ein Beispiel dafür, welche extremen Gefahren mit einem Einsatz in Kriegsgebieten verbunden sind“, so Chefredakteur David Schlesinger.

Für Wikileaks bleibt der Angriff „untragbar“. Gegenüber der WAZ kündigte Schmitt weitere Enthüllungen an. „Wir bereiten die Veröffentlichung eines Videos aus Afghanistan vor, das einen ähnlichen Fall mit US-Beteiligung zeigt.“