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Viele Bürger in NRW müssen sich bald auf harmlose, aber auch intime Fragen zur ihrer Person gefasst machen. Zensus 2011 ist der Titel einer EU-weiten Volkszählung. Seit Anfang Dezember läuft dazu ein Test mit 5000 Haushalten in NRW, um den Bogen mit 50 Fragen zu optimieren.

Das Statistische Landesamt it.nrw hat viele Alltags-Jobs. Es ermittelt die Zahl der Kühe und Schafe in Nordrhein-Westfalen, die der Nutzer von Bus und Bahn an Rhein und Ruhr oder auch wie die Wirtschaft wächst oder die Einnahmen der Gastronomen. Manchmal werden seine Recherchen auch zur wichtigen Grundlage von Gesetzen. Jetzt arbeiten sie in der Düsseldorfer Mauerstraße an einem bundesweiten 750 Millionen-Euro-Projekt, das die rechnerische Basis für die Zukunft der ganzen Republik abgeben soll.

Zensus 2011 heißt das Großvorhaben. Es ist eine EU-weite Volkszählung. In NRW sind ab Mai nächsten Jahres 20 000 Helfer unterwegs und stellen an 1,5 Millionen Haushalte 50 Fragen: Woher sie kommen. Was sie glauben und an wen. Mit wem sie zusammen wohnen. Wie sie ausgebildet sind, ob oder als was sie arbeiten. Gefragt wird ganz harmlos nach der Postleitzahl des Wohnortes – und dann wieder durchaus intim: „Haben Sie in den letzten vier Wochen etwas unternommen, um Arbeit zu finden?“

Letzte Volkszählung vor 23 Jahren

Seit Anfang Dezember läuft dazu ein Test. 5000 Haushalte in NRW und 8000 bundesweit sagen in diesen Tagen, ob sie den Fragebogen verstehen. Korrekturen sind also nicht ausgeschlossen. „Wir brauchen diesen Zensus“, sagt Wolfgang Hüning von it.nrw. „Die letzte Volkszählung war vor 23 Jahren. Seither werden Bevölkerungszahlen, die Zahl der Wohnungen und der Zu- und Fortzüge einfach immer fortgeschrieben. Je weiter wir uns von 1987 entfernen, desto mehr Fehler schleichen sich ein.“ Tatsächlich: Es könnten hier gegenüber der heutigen Annahme ein bis zwei Millionen Menschen weniger leben.

Allein in Sachen Kirche, Glauben, Religion hat sich die Gesellschaft dramatisch verändert. Leo Krüll, der Sprecher des Landesamtes: „Zur Religionszugehörigkeit haben wir die letzten Angaben aus dem Jahr 1987.“ Seither ist viel passiert: Nicht nur die Wiedervereinigung. Christliche Russland-Deutsche und muslimische Kosovo-Albaner wanderten ein. Die Zahl der jüdischen Gemeinden schoss ebenso nach oben wie die der türkischen Familiennachzügler. Und viele sind auch wieder gegangen. Keiner weiß, wie viele, wo, wann und wohin.

Deutschland, hört man daraus, hat die letzte von Brüssel verlangte Volkszählung zur Jahrtausendwende geschlabbert, braucht jetzt die grundlegende Inventur umso dringender. Es geht um Zukunftsplanung: Wie viele Tagesstätten für Kinder werden gebraucht? Wie viele Straßen? Wie viele Altenheime? Nur ein Ausschnitt des Katalogs, den vor allem Kommunen beantwortet haben möchten. Weil der Staat die Fehler der 80er-Jahre nicht wiederholen möchte, als ein Grummeln im Volk über zu neugierige Fragen zum politischen Aufstand und zum einschneidenden Volkszählungsurteil des Verfassungsgerichts führte, beschränkt sich der Gesetzgeber dieses Mal auf das Nötigste. Zwar müssen die 17,5 Millionen Eigentümer von Immobilien genaue Angaben machen, ihre Befragung läuft parallel. Die Gesamtbevölkerung wird aber nur stichprobenartig befragt. Acht von 80 Millionen bundesweit werden den elfseitigen Bogen ausfüllen müssen. In NRW sind es 1,2 Millionen. Daraus wird in Kombination mit vielen anderen Daten ein aktuelles Bild hochgerechnet. Es wird realistischer sein, so die Experten.

Friedlich und sachlich

Müssen die Helfer auch mit Widerstand rechnen? „Unsere Leute sind keine Fahnder“, sagen sie im Statistischen Landesamt. Alles soll friedlich und sachlich ablaufen. Peter Schaar, Datenschutzbeauftragter des Bundes, fragt allerdings kritisch, „ob die statistikfachlichen Bedürfnisse eine personenbezogene Erhebung in sensiblen Sonderbereichen wirklich rechtfertigen“.

Dennoch: Nach den Erfahrungen der Volkszählung der 80er-Jahre wird vielen der 1,5 Millionen Menschen, die ab 9. Mai 2011 in NRW Besuch bekommen, die Angabe ihres Namens, ihrer Adresse und ihres Geburtsdatums zunächst schwer fallen. Kann man, werden sie fragen, nicht ihren Namen dann auch den Antworten zuordnen, die sie geben? Nein, heißt es in Düsseldorf. Nach einer Überprüfung der Plausibilität werden schon bald Namens- und Adressenteil vom übrigen Fragebogen getrennt. Schaar droht: „Ich werde den Zensus aufmerksam beobachten.“