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Wir leben im Jahr der Artenvielfalt. Die Vereinten Na­­tionen haben das Jahr 2010 zum internationalen Jahr der Biodiversität erklärt. Dadurch soll die Menschheit die Vielfalt des Lebens auf der Erde besser wahrnehmen, würdigen und schützen. Für einige Arten könnte dies ein frommer Wunsch bleiben.

Zu den Verlierern der 15. Artenschutzkonferenz, die jetzt in Doha (Katar) zu Ende ging, zählen vor allem Meereslebewesen wie der stark be­drohte Rote Thunfisch sowie Haie. Sie gehören zu den Stars der asiatische Küche, ohne frischen Thunfisch, der auch im Mittelmeer gefangen wird, können sich die Japaner ihr geliebtes Sushi nicht vorstellen. Chinesen schätzen vor al­lem die Flossen der Haie als Suppenzutat. Kritisiert wird von Tierschützern die brutale Fangmethode: Oft schneiden die Fischer den Haien nur die Flossen ab und werfen sie le­bend ins Meer zurück, wo sie verenden. Unkontrolliert ge­fan­gen werden darf weiterhin der Dornhai, der in Deutschland zu Schillerlocken verar­beitet wird. Auch bei der Ro­ten Edelkoralle, einem begehrten Rohstoff für die Schmuckindustrie, sahen die Delegierten der 175 Vertragsstaaten des Washingtoner Artenschutzabkommens Cites keine Notwendigkeit, den Schutzstatus zu verschärfen.

Zu den Gewinnern der Konferenz zählen hingegen einige wirtschaftlich weniger ergiebige Arten wie die Rotaugenlaubfrösche, vier Leguanarten sowie der farbenfrohe Zagrosmolch, der wegen seiner auffälligen Musterung bei Sammlern in Mode kam und durch den Internethandel auf die Ro­te Liste geriet.

Auch für die letzten frei lebenden Tiger, ih­re Zahl wird auf 3200 ge­schätzt, sowie für afrikanische Elefanten gelten weiter strenge Regeln, der Handel mit El­fenbein bleibt untersagt.

Beobachter der Konferenz sprechen von einem Sieg der Fischerei-Industrie. „Das ist ein Kniefall vor der Fischereilobby. Kurzfristige wirtschaftliche Interessen scheinen von größerer Bedeutung als das Überleben der Arten“, kritisiert Volker Holmes, Leiter Artenschutz beim WWF. Der Bestand des Roten Thunfischs sei bereits zu 85 Prozent eingebrochen, mit der Ablehnung des Handelsverbots werde der teure Fisch weiterhin auf den japanischen Märkten landen.

„Die größten europäischen Fangnationen sind Frankreich, Italien und Spanien“, erklärt Britta König vom WWF der WAZ. „Diese Länder haben ein hohes wirtschaftliches Interesse an der Vermarktung des Fisches und sind daher weniger geneigt, Kontrollen zuzustimmen als bei Arten, deren Handel sie nicht betrifft.“ Der Rote Thunfisch werde im Mittelmeer in ganzen Schwärmen gefangen und sechs bis sieben Monate in Gefangenschaft gemästet. 90 Prozent des Fangs gehe nach Japan und in den asiatischen Raum. Ein Handelsverbot für eine bestimmte Frist hätte es den Beständen erlaubt, sich zu erholen. So aber „wird sich der Fang auf den Fisch schon 2015 kaum noch lohnen“.

Thunfisch-Häppchen

Beobachter der Konferenz berichten, dass sich Europa und die USA bei ihren Vorschlägen zum Schutz von Tierarten auch von wissenschaftlichen Erkenntnissen leiten ließen, Japan indes stelle wirtschaftliche Erwägungen in den Vordergrund. Vor der Konferenz hätten die europäischen Länder monatelang ihre Positionen miteinander abgestimmt, bis kurz vor Beginn der Tagung. Japan habe die Zeit für intensive Lobbyarbeitgenutzt und Verbündete umworben. So war Europa bis zum Verhandlungsstart mit sich selbst beschäftigt, kritisiert der WWF. „Die EU zeigte eine schwache Haltung zu wichtigen Artenschutzfragen“, be­stätigt Heike Finke, Präsidiumsmitglied des Nabu.

Für Rainer Hagencord vom Institut für Theologische Zoologie in Münster ist das Konferenzergebnis exemplarisch für den Umgang mit der Natur, die vor allem als ausbeutbare Ressource betrachtet werde: „Das Vernunftargument besagt, dass wir Ökologie und Nachhaltigkeit beachten müssen. Und aus ethischer Sicht sind Tiere mehr als nur Fleischproduzenten. Die Natur hat ihre eigene Würde.“

Dazu passt, dass nach Beobachtung von Volker Holmes die japanische Delegation das Konferenzende mit Sushi-Häppchen feierte – aus Rotem Thunfisch.