Paris. .
Über dem Élysée-Palast braut sich etwas zusammen. Nicolas Sarkozy, seit zweieinhalb Jahren Präsident der Republik, sieht seine Sympathiewerte tief im Keller, dafür erreicht die Arbeitslosigkeit in Frankreich den höchsten Stand seit zehn Jahren – Tendenz steigend. Kein Wunder, dass sich das nächste Debakel bereits düster am Horizont abzeichnet.
Bei den Regionalwahlen am 14. und 21. März drohen dem Präsidenten und seiner Partei UMP eine herbe Schlappe. In Frankreichs Provinz schlägt das Herz rot. Seit fünf Jahren stellen die Sozialisten in 20 von 22 Regionen den Präsidenten. Zwar erhoffen sich die Optimisten in der UMP-Parteizentrale, dass vielleicht der eine oder andere Sprengel doch noch zurückerobert werden kann. Dafür laufen im Hauptquartier der Sozialisten, Wetten, dass die Republik bald flächendeckend in Rot strahlt. Unter Beobachtern herrscht weitgehend Einigkeit: Die Regionalwahl 2010 entwickelt sich zu einer Denkzettelwahl.
Das barsche Abstrafen der Mächtigen übt auf den unberechenbaren französischen Wähler seit jeher einen magischen Reiz aus. Es scheint wohl der republikanisch-jakobinischen Seite seiner zerklüfteten Psyche zu entsprechen, just denjenigen, dem er soeben zum Throne verholfen hat, bei nächstbester Gelegenheit einen Kopf kleiner zu machen. Mitterrand ist’s passiert, Chirac ebenfalls, warum soll es Sarkozy anders gehen?
Fairerweise muss gesagt werden, dass der Präsident an der Malaise nicht unschuldig ist. Beim Wahlkampf 2007, nach einem Jahrzehnt Chirac’scher Lethargie, da versteht er es blendend, das Volk mit einem opulenten Ankündigungskonzert zu betören. Doch längst sehen selbst die Sarko-Getreuen ein, dass auch er Bäume nicht in den Himmel wachsen lässt. Die Arbeitslosigkeit (zehn Prozent) steigt ebenso ungebremst wie die Staatsverschuldung – kein Ruhmesblatt für Europas zweitgrößte Industrienation.
Gewiss, Sarkozy ist reformwillig. In der Finanzkrise zieht er als Vorreiter mutig gegen die Banken zu Felde und wirbt für die Decklung der Boni. Andererseits scheitert die Einführung der CO2-Steuer an handwerklichen Fehlern und die Rentenreform fasst er nur mit spitzen Fingern an. Integration und öffentliche Sicherheit sind ebenfalls dicke Bretter, in die wenig gebohrt wird.
Der Beginn von Sarkozys schlechtem Lauf hat ein Datum. Es passiert an einem Juli-Sonntag beim Joggen im Park von Versailles. Da sinkt der vermeintlich so virile Staatspräsident ausgelaugt darnieder. Seit diesem Schwächeanfall ist Sand im Getriebe. Als er tatkräftig einen sagenhaften Karrieresprung seines unerfahrenen, erst 23 Jahre alten Sohnes begünstigt, beschmutzt er sich mit dem klebrigen Vorwurf der Vetternwirtschaft. Oh la la, „Sonnenkönig Sarko“ und Kronprinz Jean, schüttelt ganz Frankreich entsetzt den Kopf. Im spektakulären Rufmordprozess, der so genannten Clear-stream-Affäre, tritt er als Nebenkläger ebenfalls ins Fettnäpfchen, indem er seinen Erzfeind, den Hauptangeklagten Dominique de Villepin, gleich zu Prozessbeginn in maßloser Verblendung als Schuldigen abstempelt und vorverurteilt. Parteifreund und Chirac-Zögling Villepin, inzwischen freigesprochen, macht nun seinerseits Wahlkampf für 2012. Und stichelt eifrig drauf los.
Der Blick geht ins Leere
So fragt er beim PR-Termin auf einem normannischen Bauernhof, ein Ferkel auf dem Arm haltend, mit breitem schadenfrohen Grinsen in die Runde: „Na, erinnert es euch an jemanden? Mich auch!“.
Sarkozy, der gewiefte Polit-Stratege, läuft Gefahr, sich zu verzocken. Mal setzt er, ganz zur Freude seiner linksliberalen Gattin Carla Bruni, auf die Öffnung zur linken Schickeria. Dann fischt er ganz rechtsaußen in den Gewässern der „Front National“.
Immer häufiger ertappen ihn die allgegenwärtigen TV-Kameras dabei, dass er ein gefrorenes Lächeln aufsetzt und ins Leere blickt. Unübersehbar: Der Präsident ist verwundet und leidet. Und schon fragen sie sich in Paris, was wohl passiert, wenn er entnervt den Bettel hinwürfe.