Washington. .

Das US-Magazin „Newsweek“ zeichnet ein wenig schmeichelhaftes Bild von Bundeskanzlerin Merkel. Vor wenigen Wochen wurde sie nach ihrer Rede vor dem US-Kongress umjubelt. Jetzt ist Ernüchterung in den USA eingekehrt und Kritik an den Führungsqualitäten Merkels wird laut.

Es liegt erst wenige Wochen zurück, dass ihr Amerikas politische Elite zu Füßen lag. Die Geschichte des Mädchens aus dem Osten, das hinter dem Betonwall vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten träumte und – nach Mauerfall und deutscher Vereinigung – zur Kanzlerin aufstieg, brachte Angela Merkel Ovationen im US-Kongress ein. Als „Frau Europa“ feierte sie das „Time Magazin“.

Inzwischen ist der Blick auf die Bundeskanzlerin nüchterner geworden. Dass man Merkel zum Jagen tragen muss, beginnt sich auch in den Vereinigten Staaten herumzusprechen. Als „Zeitlupen-Kanzlerin“ bezeichnet das renommierte Nachrichtenmagazin „Newsweek“ die deutsche Regierungschefin. „Frau Europa, es ist Zeit zu führen“, hält ihr das New Yorker Blatt unter der Überschrift „Warten auf Merkel“ vor. Eine Missstimmung spiegelt sich darin wider, die auch in Kreisen der US-Regierung verbreitet ist. Deutschland agiert auf der internationalen Bühne weit unter seinen Möglichkeiten.

Keine kluge Strategie

Das europäische Schwergewicht boxt, gerade in der aktuellen Euro-Krise, unterhalb seiner Gewichtsklasse – und strebt zugleich einen festen Sitz im Weltsicherheitsrat der UNO an. Das passt aus Sicht Washingtons schlecht zusammen. Im Verhältnis beider Länder steht es nicht zum Besten. Eine Regierung, die nach sechs Monaten im Amt noch immer nicht recht Tritt gefasst hat, Bürger, die den Wandel und die Herausforderungen der aktuellen Krisen scheuen – „Newsweek“ listet lang und breit auf, warum sich die Deutschen mit ihrer Kanzlerin an der Spitze angeblich scheuen, mehr internationale Verantwortung zu übernehmen. Abzuwarten, die Hände in den Schoß zu legen, statt Pflöcke zu setzen und zuzupacken ist aus amerikanischer Sicht angesichts der aktuellen Brandherde keine kluge Strategie. „Europa braucht Führung, aber der geeignete Kandidat will den Job nicht“, bilanziert Newsweek nüchtern.

Das ist eine kritische Ouvertüre für Merkels nächsten USA-Besuch Mitte April. Es scheint ins Bild zu passen, dass auch US-Präsident Barack Obama bei der Suche nach der europäischen Telefonnummer nicht automatisch bei Merkel anklingelt. Doch das ist nicht ihr allein anzulasten. Obama hat sich bislang tatsächlich kaum Mühe gegeben, sein Verhältnis zu Merkel oder zu anderen europäischen Spitzen zu verbessern. Beide sind sich bislang fremd geblieben.

Es menschelt nicht

Auf der Arbeitsebene gehen Merkel und Obama zwar pragmatisch miteinander um. Aber es menschelt nicht wie einst zwischen Kohl und Bush Senior. Da springt kein Funke über, vielleicht, weil sich beide – hier der stets coole Präsident mit der professoralen Attitüde, dort die nüchtern wägende Naturwissenschaftlerin, die politische Prozesse vom Ende her denkt – in vielerlei Hinsicht so ähnlich sind.

In Washington ist es schon länger kein Geheimnis mehr, dassMerkel ein persönlich weit wärmeres Verhältnis zu Außenministerin Hillary Clinton hat. In Krisenzeiten aber kann zuviel Distanz von Nachteil sein.