Düsseldorf. .

Die schärfste Kritik kam von unverdächtiger Stelle. „Hannelore Kraft geht Guido Westerwelle auf den Leim und macht Wahlkampf für die FDP“, wetterte ausgerechnet die Chefin der NRW-Grünen, Daniela Schneckenburger, über die Wunsch-Koalitionspartnerin von der SPD. .

Ein kritisches Echo hatte die SPD-Chefin wohl eingepreist, als sie gegenüber dem „Spiegel“ mit einer, nun ja, Lebenslüge aufräumte: „Wir müssen endlich ehrlich sein: Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden.“ Deshalb bereicherte die Mülheimerin die Diskussion über Korrekturen an den umstrittenen Hartz-Reformen um den Vorschlag, dass Leistungsempfänger ohne Aussicht auf reguläre Beschäftigung gegen einen symbolischen Aufschlag in Altenheimen oder Sportvereinen aushelfen sollten.

Kraft hatte dabei die Versuchsanordnung des medialen Aufmerksamkeitsbetriebes exakt eingehalten: Richtiges Timing, provokante These, vermeintlicher Tabubruch. Doch nun fand sie sich dort wieder, wo sie vermutlich nicht hinwollte: in der Gesellschaft Westerwelles.

Beim FDP-Chef müssten Langzeitarbeitslose „Schnee schippen, bei Hannelore Kraft sollen sie im Frühling die Straße fegen“, feixte der designierte Generalsekretär der NRW-CDU, Andreas Krautscheid. Er bezichtigte die Oppositionsführerin der „Kapitulationserklärung gegenüber allen arbeitssuchenden Menschen“. Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) sekundierte, Kraft habe ein Viertel der rund 570 000 Hartz IV-Empfänger aufgegeben. Zudem arbeiteten bereits mehr als 70 000 von ihnen in gemeinnützigen Jobs. Tatsächlich machen sich seit Jahren viele jener Bedürftigen, die nicht krank oder stark gehandicapt sind, in zahlreichen Kommunen um Grünanlagen oder Schulbibliotheken verdient. Es fehlt offenbar nicht an ehrenamtlichen Betätigungsfeldern, die eine „würdevolle Perspektive“ verheißen, wie Kraft sie eröffnen will. Grünen-Chefin Schneckenburger rechnete vor, dass unter den Arbeitslosen mit den größten Vermittlungshemmnissen Alleinerziehende seien, denen Betreuungsplätze für die Kinder fehlten und nicht der Ansporn.

Allein FDP-Generalsekretär Christian Lindner bilanzierte zufrieden, die SPD habe nun auch den Erneuerungsbedarf des Sozialstaats eingeräumt.

Blick Richtung Mitte?

Als Signal an die Liberalen sollte Krafts Vorstoß jedoch besser nicht verstanden werden. Vielmehr scheint die SPD-Chefin, mit der es die Umfragen zwei Monate vor der Landtagswahl ausgesprochen gut meinen, die schwärende Debatte über ein rot-rot-grünes Bündnis eindämmen zu wollen. Annäherungen des stellvertretenden SPD-Chefs Jochen Ott an die Linken-Führung hatten Krafts riskantes Spiel mit dieser Bündnisoption („Zurzeit nicht regierungsfähig“) nach Ansicht der CDU-Spitze in der vergangenen Woche entlarvt. Nun wurde es Zeit für die Oppositionsführerin, wieder Richtung Mitte zu blinken.

Zumal ein SPD-Urgestein wie Friedhelm Farthmann, Ex-Fraktionschef im Unruhestand, via „Welt am Sonntag“ ausrichten ließ, man solle „die fordernde, aktivierende Seite der Agenda 2010“ nicht vergessen und der „nordrhein-westfälischen Chaostruppe“ der Linkspartei die kalte Schulter zeigen, um nicht die eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen. Dass Farth-mann obendrein Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), der in der Sponsoring-Affäre unter Dauerbeschuss der SPD stand, „einen anständigen Kerl und guten Politiker“ nannte, wird Kraft ebenfalls kaum freuen.