Düsseldorf. .

Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) hat eine harte Strecke hinter sich: Wahlkampf, Verhandlungsmarathon, Regierungsbildung. Dann der Einstieg in ihr neues Haus, wo sie gut aufgenommen worden sei und eine „herzliche Übergabe” durch Vorgängerin Barbara Sommer (CDU) erlebt habe. Ab heute macht Sylvia Löhrmann Urlaub auf Jersey.

Hamburg hat per Volksentscheid gegen die Schul­reform Ihrer Parteifreundin Christa Götsch entschieden. Untergräbt das nicht auch Ihre Pläne für die Gemeinschaftsschule in NRW?

Löhrmann: Nein. NRW ist ein Flächenland,­ und wir gehen unsere Reformen anders an. Wir verordnen nichts von oben, sondern ­setzen auf freiwilligen regio­nalen Konsens, um die Gemeinschaftsschule da einzuführen, wo sie gewollt ist. So läuft der Schulkampf, den ­Teile der Opposition anzetteln wollen, ins Leere.

Freiwillig heißt auch unverbindlich. Was stimmt Sie so optimistisch, dass die ­Kommunen mitziehen?

Wir haben schon jetzt ­konkrete Anträge und Anfragen, vor allem aus dem Münster- und Sauerland, aber auch aus größeren Städten. Wir reagieren auf das, was vor Ort gewünscht ist, um Schulsterben zu verhindern, Selektivität abzubauen und eine attraktive wohnortnahe Schule zu schaffen, die alle Bildungs­abschlüsse ermöglicht. Deshalb glaube ich an den Erfolg.

Anderer Weg zum Abitur

Was macht eine Gemeinschaftsschule aus?

Sie soll Kinder mit verschiedenen Talenten aufnehmen und fördern. Sie führt bestehende Schulformen wie Haupt- und Realschule zusammen. Hinzu kommen gym­nasiale Standards. Die gymna­siale Oberstufe muss es nicht unbedingt an jedem Schulstandort geben, aber jede Gemeinschaftsschule kooperiert mit einer gymnasialen Oberstufe. So wissen die Eltern: An dieser Schule kann mein Kind bis zum Abitur kommen. Vielfalt ist also Trumpf.

Welche Anreize bieten Sie den Trägern?

Kleinere Klassen und gute Fortbildungskonzepte für die Lehrerkollegien an der Gemeinschaftsschule. Denn sie müssen mit einer heterogeneren Schülerschaft arbeiten. Mein Haus wird die Kommunen bei der Genehmigung und die Schulen bei der Erarbeitung pädagogischer Konzepte fachlich unterstützen.

Radikalreformen nicht möglich

Eine Mehrheit für die ­Ge­meinschaftsschule ist im Landtag aber nicht in Sicht.

Das ist schade, aber auch nicht nötig, denn Modellprojekte kann ich im Rahmen der geltenden Rechtslage schon jetzt genehmigen. Das werde ich nach den Sommerferien tun. Nur um die neue Schule zum Regelfall zu machen, muss das Schulgesetz geändert werden. Das ist natürlich das Ziel der Koalition. Wir möchten einen Schulkonsens erreichen zwischen Parteien, ­Lehrer- und Elternverbänden, Gewerkschaften, Wirtschaft und Kirchen. Ob der Konsens gelingt, hängt besonders von der CDU ab.

Oder von der Linkspartei, die eine deutlich radikalere Schulreform will als Sie.

Radikalreformen sind auf diesem sensiblen Feld nicht möglich. Das ist doch die ­Lehre von Hamburg. Wir gehen behutsam und nach­haltig in die richtige Richtung.

Ist das von Ihnen ange­strebte längere gemeinsame Lernen auf die Klassen 5 und 6 beschränkt oder ist es auch bis Klasse 10 möglich?

Ja, das ist es. Die Schulen entscheiden in eigener Verantwortung über das jeweilige pädagogische Konzept. Wichtig ist, dass am Ende der Klasse 10 an allen Schulen im Land der Leistungsstand mit teilzentralen Prüfungen gemessen wird. Denn die Bildungsabschlüsse müssen vergleichbar bleiben.

Zehn Stimmen Vorsprung

Eltern fürchten um den Bestand des Gymnasiums. Was sagen Sie ihnen?

Das Land schafft keine Schulform ab, weder das Gymnasium noch die Hauptschule oder die Realschule. Allerdings müssen sich alle Schulen umstellen. Die Schülerschaft ist heute anders als früher, es gibt mehr Kinder mit Zuwanderungsgeschichte, die z.B. im Gymnasium deutlich unter­repräsentiert sind. Dieser Herausforderung müssen sich die Gymnasien stellen. Da die Gemeinschaftsschule gym­nasiale Standards erhält, steht das Gymnasium in einem ­verstärkten Wettbewerb.

Sie haben sich viel vor­genommen. Um es umzu­setzen, muss die rot-grüne Minderheitsregierung ­halten. Wie lange hält sie?

Volle fünf Jahre, hoffe ich. Wir brauchen im Landtag immer nur die relative Mehrheit und haben zehn Stimmen Vorsprung vor Schwarz-Gelb. Wir setzen, von Fall zu Fall, auf die Unterstützung aller Fraktionen. Sollte sich wiederholt eine schwarz-gelb-dunkelrote Allianz gegen uns bilden, spricht das doch Bände. Mit einer Dauerblockade schaden CDU, FDP und Linke Nordrhein-Westfalen. Das fällt auch auf sie zurück, und sie müssen dann Neuwahlen ­verantworten.