Ettal/Regensburg/Fulda.

Absoluter Terror herrschte im Kloster Ettal, klagt ein Internatsschüler aus den 60er Jahren. Immer mehr Fälle von vertuschtem Missbrauch und Misshandlungen kommt jetzt ans Tageslicht.

Prügel gehörten zum Alltag. Nachts kam regelmäßig ein Pater in den Schlafsaal, und beim kleinsten Laut verpasste er den Jungs Schläge. Immer ins Gesicht. Zuerst kam der Schwächste dran. Der Pater zog die verängstigten Kinder an den Haaren. Der Schulleiter damals war ein Sadist. Strafen waren: stundenlang nachts im Flur stehen oder in den unbeleuchteten Keller geschickt zu werden. „Es war die schlimmste Zeit meines Lebens“, hat jetzt ein ehemaliger Schüler des Eliteinternats von Kloster Ettal dem vom Kloster eingesetzten Ermittler Thomas Pfister offenbart.

Die Schilderungen, was die Schüler – bisher handelt es sich um etwa 100 – auszuhalten hatten, von den 60-er bis in die 90-er Jahre, hält Pfister nicht für eine Übertreibung. Seit einer Woche ermittelt er, und täglich kommen neue Berichte über wahre Gewaltorgien hinter den Klostermauern der Benediktinerabtei ans Tageslicht.

Gestern fasste Pfister, sichtlich erschüttert, in einer Pressekonferenz die schlimmsten Auswüchse von damals zusammen. Es sei systematische, brutalste Gewalt gewesen, ausgeübt von „deutlich mehr als zehn Patres“. Die schweren Gewalttaten, inzwischen verjährt, hätten nur „unter dem Mantel des Schweigens“ geschehen können. Der Wirtschaftsverwalter Pater Johannes Bauer, früher ebenfalls Lehrer im Internat, outete sich gestern, auch er habe Schüler brutal körperlich misshandelt. Damals seien die Erziehungsmethoden halt anders gewesen, sagte er und entschuldigte sich öffentlich bei den Betroffenen.

Der Missbrauchsskandal scheint längst nicht am Ende zu sein. Seit Tagen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen eines Falls sexuellen Missbrauchs im Kloster 2005. Gestern gab Pfister bekannt, ein Mönch habe sich gemeldet, der selbst misshandelt worden sei. Zudem hat ein Pater erst jüngst offenbart, sich kinderpornografische Schriften aus dem Netz heruntergeladen zu haben. Zudem soll er Fotos. die er in den Jahren 2000/ 2001 von Schützlingen mit nacktem Oberkörper gemacht habe, auf Internetseiten für Homosexuelle gestellt haben. Der Pater hatte sich selbst angezeigt.

Der Abt des Klosters Ettal und sein Stellvertreter sind mittlerweile zurückgetreten. Das Kloster hat Rom um Beistand gebeten.

Bestätigt hat nun auch das Bistum Regensburg, dass es in den 50er-/60er-Jahren Fälle von Missbrauch durch zwei ehemalige leitende, mittlerweile verstorbene Geistliche gegeben habe. Ende der 50-er-Jahre sei der stellvertretende Institutsleiter mit zwei Zöglingen überrascht worden. Er sei deshalb zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Danach arbeitete er noch in einem Mädchenkonvent. Der andere war Internatsleiter und war nach seiner Verurteilung wegen Missbrauch als Musikpräfekt eingesetzt. Über die Opfer sei wenig bekannt. Das Bistum bittet Opfer, sich zu melden, damit alles aufgeklärt werden kann. Die Vergangenheit soll akribisch aufgearbeitet werden kann. Aktuelle Verdachtsfälle seien jedoch nicht bekannt, so das Bistum.

Drei neue Verdachtsfälle gibt es auch in Fulda. Bei der Diözese soll sich jetzt u.a. ein Opfer gemeldet haben, das 1976 in der Stiftsschule von einem Laienmitarbeiter sexuell missbraucht worden sei. Anschuldigungen gebe es zudem gegen einen Priester und einen ehemaligen ehrenamtlichen Jugendverbands-Mitarbeiter. Auch das Bistum Fulda bittet mögliche weitere Opfer, sich zu melden.