Berlin. .

Die Koalition will sich nun auf ihre Arbeit konzentrieren und das Reformtempo erhöhen. Das ist das Ergebnis des Krisengipfels. Die Botschaft: Die schwarz-gelben Partner versuchen, ihre Dauer-Querelen über Hartz IV und Gesundheitsreform gütlich beizulegen.

Von einem Neustart wollte Horst Seehofer diesmal nicht sprechen. Dabei waren die Vorzeichen vor dem Gespräch des CSU-Chefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und FDP-Chef Guido Westerwelle am Mittwochabend die gleichen wie bei der ersten Dreierrunde im Januar. Man stritt sich, nur die Themen waren andere. Nun will die Koalition mit einem erhöhten Reformtempo und einer Konzentration auf Inhalte ihre Querelen überwinden.

Zu dem Treffen im Kanzleramt war Westerwelle ein paar Minuten zu spät gekommen, hatte dies aber eine Stunde vorher angekündigt. Bei Kartoffelpüree, Rindfleisch, Salat, Käse und Brot wurde über Themen und Erscheinungsbild der Koalition diskutiert. Dazu wurde Wasser und alkoholfreies Bier gereicht, Wein gab es nicht. Alle drei befänden sich wohl in der Fastenzeit, mutmaßte Seehofer.

Gasgeben ist angesagt

Für die Koalition ist das Menü durchaus angemessen. Schließlich sollen Fastende zur Besinnung und klaren Kopf bewahren. Das Treffen sei konstruktiv, sachlich und gelegentlich auch humorvoll verlaufen, resümierte Seehofer. „Wir haben uns vorgenommen, noch mehr aufs Tempo zu drücken, was Erneuerung und Reformen anbetrifft“, betonte er. Aus allgemeinen sollten möglichst schnell konkrete Diskussionen werden.

Seehofer setzt darauf, dass die allgemeinen strittigen Debatten nun aufhören. Bei den Themen Steuersenkungen, Afghanistan und Vertriebenenzentrum sei dies nach dem Spitzentreffen im Januar auch gelungen. Der Streit in der Koalition hatte sich danach auf die Themen Atomenergie, Gesundheitspolitik und „Hartz IV“ konzentriert. Die Querelen der vergangenen Tage bezeichnete Seehofer als „nicht bekömmlich“ für die Koalition.

Gesundheitsreform im Mittelpunkt

Eines der Hauptthemen des Treffens war die Gesundheitsreform. Am Mittwoch hatte das Kabinett eine Regierungskommission eingesetzt. Seehofer sagte, im Vordergrund müsse stehen, die Ausgabensteigerungen in den Griff zu bekommen. Mittel- und langfristig müssten die Steigerungen der Kosten des medizinischen Fortschritts und der demografischen Entwicklung aufgefangen werden.

Eine Kopfpauschale für das gesamte Gesundheitswesen wäre aus Sicht von Seehofer ungerecht und zudem sehr teuer. Er habe den Koalitionsspitzen Berechnungen vorgelegt, wonach die Umlage all dessen, was die Arbeitnehmer allein heute für die Krankenversicherung zahlen, eine Kopfpauschale von 145 Euro und einen Sozialausgleich von 21 Milliarden Euro bedeuten würde. „Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, sagte Seehofer. Steuererhöhungen zur Finanzierung des Sozialausgleichs schloss der CSU-Chef aus.

Gesprochen wurde auch über den Komplex „Hartz IV“. Bei den Zuverdienstmöglichkeiten will die Koalition schneller Lösungen anbieten als bei der Neubestimmung der Regelsätze, für die statistische Daten erst im Herbst vorliegen. Auch das geplante Energiekonzept wolle die Koalition zügig angehen, sagte Seehofer. Eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke sei unstrittig in der Koalition.

Özdemir: Die Gräben werden immer tiefer

Die jüngsten Streitereien hatte Westerwelle mit provokanten Äußerungen über „Hartz-IV“-Empfänger auslöst. Fast zeitgleich zu Seehofers Äußerungen rechtfertigte sich der Vizekanzler am Donnerstag im Bundestag. Er habe nicht jene kritisiert, die „ein schweres Schicksal“ hätten. Es müsse aber klar sein, dass jener, der arbeitet, mehr haben müsse als derjenige, der nicht arbeitet. „Das werde ich heute sagen und auch morgen noch“, betonte Westerwelle. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger fügte hinzu, ihr Parteichef habe erreicht, dass öffentlich über die Balance des Sozialstaates gesprochen werde.

Grünen-Parteichef Cem Özdemir reagierte mit Spott auf das jüngste Dreiertreffen. „Von Gipfel zu Gipfel werden die Gräben danach immer tiefer. Die Regierung hat sich im Hochgebirge verirrt.“ Die Spitzen der Koalition wollen derweil ihre Dreiertreffen zur Routine werden lassen. Das nächste Treffen ist am 21. März geplant. (ddp)