Berlin. .
Die Internetgemeinde jubelt über die Entscheidung des Bundesjustizministeriums: Die Regierung will Internetseiten mit verbotenem Inhalt wie Kinderpornografie künftig nicht sperren sondern löschen. Innerhalb eines Jahres soll ein neues Gesetz her. Doch schon regt sich neuer Widerstand.
Die Reaktion der Internetgemeinde ließ nicht lange auf sich warten. Netzaktivisten und Datenschützer begrüßten die Entscheidung des Bundesjustizministeriums, die umstrittene Sperrung von strafrechtlich relevanten Internetseiten nicht weiter zu verfolgen.
Allerdings äußerten sie massive Zweifel, ob eine stattdessen geplante Löschung der Daten Erfolg versprechender sei. Die Internetwirtschaft hält dagegen: Sie habe erste Erfolge beim Entfernen von Seiten verbuchen können. Die Zahl der Hinweise von Internetnutzern auf entsprechende Inhalte habe massiv zugenommen.
Die FDP hatte vor der Bundestagswahl keinen Hehl daraus gemacht: Die von Schwarz-Rot beschlossene und vom BKA durchgeführte Sperrung von Internetseiten sei mit ihr nicht zu machen. Dabei hatte die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) viel Lob aus den eigenen Reihen für ihr entschiedenes Handeln gegen Kinderpornografie im Netz erhalten. Kritiker monierten dagegen, eine Sperrung von Internetseiten zweifelhaften Inhalts sei zwar technisch möglich, aber ebenso leicht zu umgehen. Außerdem käme die Sperrung einer Zensur gleich.
Piratenpartei: Pläne sind „Unsinn“
Internet-affine Wähler quittierten das Vorhaben der Regierung nicht zuletzt mit Zustimmung für die Piratenpartei, die sich für mehr Freiheit im Netz stark macht. Die Partei meldete sich am Dienstag auch zu Wort und bezeichnete die neuen Pläne der Bundesregierung als „Unsinn“. „Das zeigt erneut, wie wenig die Bundesregierung von der Materie versteht“, kommentierte der Sprecher der Partei, Simon Lange, in der „Saarbrücker Zeitung“ die geplante Löschaktion. Die jetzt gültigen Regeln und Gesetze seien völlig ausreichend, um etwa kinderpornografische Inhalte zu löschen.
Das ursprüngliche Vorhaben der Bundesregierung klang so einfach wie effektiv: Auf den „Schmuddelseiten“ im Netz sollten rote Stoppschilder erscheinen und den Nutzern signalisieren, dass ein Umgehen der Sperre strafbar ist. Aufgabe des Bundeskriminalamtes wäre es in diesem Modell gewesen, Sperrlisten mit einschlägigen Seiten zu erstellen und regelmäßig zu aktualisieren.
Bundespräsident Horst Köhler hatte das von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Gesetz nicht unterzeichnet und weiteren Informationsbedarf angemeldet. In der Antwort der Bundesregierung an Horst Köhler ist nun davon die Rede, dass der Gesetzgeber bis auf weiteres keine „Zugangssperren“ vornimmt, sondern sich allein auf die Löschung derartiger Seiten konzentrieren will. Binnen eines Jahres soll eine neue gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Internet-Experten erwarten dennoch Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Um Internetseiten zu löschen, die auf Computer-Servern im Ausland stehen, bedürfe es zunächst polizeilicher Kooperation und vergleichbarer Gesetzgebung, heißt es. In den USA zum Beispiel würden Eingriffe in das Internet ganz anders bewertet als in Europa.
Beschwerden nehmen zu
Die Internetanbieter geben sich trotzdem zuversichtlich: Die Zahl der Hinweise bei der Internet-Beschwerdestelle des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft habe massiv zugenommen. 2009 seien fast 6000 Beschwerden eingegangen, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr von rund 19 Prozent. Fast die Hälfte der Hinweise habe sich auf Seiten mit kinderpornografischem Inhalt bezogen. In den meisten Fällen, so die Beschwerdestelle, konnten die Seiten auch vom Netz genommen werden.